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Bluthund Pistorius - Proteste gegen Kriegminister und Artikel der DRF

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Pistorius

Am Montagabend, den 22. Juli, machte Kriegsminister Boris Pistorius  auf seiner Wahlkampftour einen Zwischenstopp in Leipzig. Ausgerechnet im Biergarten des Felsenkellers, wo Rosa Luxemburg 1913 in ihrer Rede zur "Weltpolitischen Lage" klar machte, dass das Proletariat "den Schluss zu ziehen [habe, sich] gegen jeden Krieg zu wenden, gleichviel ob Angriffs- oder Verteidigungskrieg", trat nun wieder ein sozialdemokratischer Kriegstreiber auf, um genau das Gegenteil zu propagieren - nämlich Aufrüstung und Krieg.

Rund 50 Aktivistinnen und Aktivisten versammelten sich vor dem Veranstaltungsort und protestierten Lautstark gegen den Auftritt des Kriegsministers. Einige schafften es sogar, sich unter die Zuschauer zu mischen und sorgten mit ihren Zwischenrufen und Kommentaren für den nötigen Kontext dieser Propagandaschau.

In unserem Zentralorgan widmeten wir im Januar dem "Bluthund Pistorius" einen Artikel. Wir veröffentlichen ihn heute als nützlichen Hintergrundkommentar.

 

Bluthund Pistorius

von Heinz Ahlreib

Erschienen in der Januar 2024 Ausgabe der DRF

 

Eine der neuesten Aussagen des sozialdemokratisch-imperialistischen Kriegsministers Pistorius lautet: “Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen“.

Dass diese unser aller Leben tangierenden Ausführungen auch in linken Kreisen weitgehend geschluckt wurden, zeigt an, wie sehr die offizielle Kriegsrhetorik bereits gegriffen hat. Der einzige Nutznießer ist die Rüstungsindustrie. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird das offen zugegeben - die Zeitung fragt den sich seit neun Monaten im Amt befindlichen sozialdemokratischen Kriegsminister: “Das Verhältnis zwischen Industrie und Ministerium hat sich in ihrer Amtszeit stark verbessert, man redet mehr miteinander und besser übereinander. Aber wird die neue Partnerschaft nicht auch mit riesigen Gewinnmargen für Rheinmetall & Co erkauft?“ Pistorius antwortet einsilbig: “Ja“. Die FAZ: “Danke für die knappe Antwort“[1]. Man riecht sofort den faschistischen Gestank vom 4. August 1914, als die SPD - deren Vorstand am 25. Juli noch ganz im Geist des Basler Manifestes von 1912 (Umwandlung eines imperialistischen Krieges in einen proletarischen Befreiungskrieg) noch gegen das verbrecherische Treiben der Kriegshetzer demonstrieren ließ - zehn Tage später im Reichstag einstimmig den Kriegskrediten zustimmte. Karl Liebknecht und Otto Rühle stimmten erst im Dezember 1914 bei einem weiteren Antrag auf Bewilligung von Kriegskrediten dagegen. Dass Pistorius hier seine Karte offenlegt, zeigt an, dass wir es mit einem Agenten der Bourgeoisie in unseren Reihen zu tun haben, der die Kunst der Verstellung nicht beherrscht. Den Proletariern drohen in einem imperialistischen Krieg keine riesigen Gewinnmargen, sondern Tote in riesenhaften Dimensionen. Das ist die Kommandolage: Ein Bundeskanzler mit Erinnerungslücken als Oberkommandierender im Kriegsfall und ein Pistorius, der in den Fußstapfen von Gustav Noske wandelt. Ein weiterer sozialdemokratischer Bluthund steht formvollendet vor uns. Noske war nach der Novemberrevolution von 1918 der erste sozialdemokratische Minister mit der Zuständigkeit für das Militär in der deutschen Geschichte. Er hat ein Jahrhundertwort geprägt: „Einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht.“ [2] Bluthund bedeutet in der Tradition Luthers, aufständisches Volk niederzumetzeln, nur dass das im deutschen Bauernkrieg die fürstliche Soldateska verrichtete und nicht von Sozialdemokraten kommandierte Weißgardisten.

In dem Interview kommt auch deutlich heraus, dass Pistorius mit Unterstützung des Sondervermögens von hundert Milliarden Euro das von dem Faschisten Trump angemahnte Zwei-Prozent-Ziel der NATO (zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die imperialistische Kriegsvorbereitung) als verankert im Bundeshaushalt unbedingt erreichen will. Ein direkter Griff in das Portemonnaie der arbeitenden Klassen. Immer eindeutiger werden in den Stäben und Kasernen mit kriegsrhetorischer Begleitmusik die Weichen auf kriminelle Raubkriege ersten Ranges gestellt. Die Bundeswehr wurde immer kleiner, das Kriegsministerium immer größer. Pistorius will hier die Vorzeichen umkehren. Er will mehr Frauen in die Bundeswehr locken, was bekanntlich drei Kriegsministerinnen vor ihm nicht gelang. Er schwärmt von der Bundeswehr als einem “ungewöhnlich attraktiven Arbeitgeber“ (a.a.O.). Wir bieten über tausend Berufe. Kurzer Einwand: Es sind aber auch bereits über tausend Särge gezimmert. Dazu käme die Kameradschaft in der Truppe. Das ist Augenwischerei, als ob die Bundeswehr keine Klassenarmee sei. Noch nie ist für die Bundeswehr so viel Geld ausgegeben worden wie heute.

Die Dialektik lehrt uns, dass alles abhängt von der Zeit, von dem Ort und von den Umständen. Bürgerliche Ideologie muss den Epochencharakter unserer Zeit verleugnen - dass wir in einer Phase des Übergangs vom Imperialismus zum Sozialismus leben. Das ist der aktuelle, maßgebliche Leuchtturm der Gesellschaftswissenschaften.

Wenn aber unter imperialistischen Bedingungen etwas feststeht, dann ist es die Unvermeidbarkeit von Kriegen nach außen zum Ablenken von Krisen primär sozialen Ursprungs im Inneren. Das hatten u.a. schon Robespierre (“Niemand liebt bewaffnete Missionare“) und Hegel gesehen: Bei allem Reichtum, sagt Hegel in seiner Rechtsphilosophie, den die bürgerliche Gesellschaft produziert, ist die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug, die Armut des Pöbels zu steuern, Ausweg: Kolonien. Das ist mutatis mutandis durch Konkurrenzkapitalismus (19. Jahrhundert) und Monopolimperialismus (20. und 21. Jahrhundert) die heutige Situation. Den heutigen imperialistischen Staaten bleibt angesichts der überbordenden Krisenakkumulation bei ständig negativen und negativer werdenden Relationen gar nichts anderes übrig als die Flucht in imperialistische Gemetzel. Der kostenfrei zu erwerbende Führerschein als Köder. Was mit der Aushändigung eines Führerscheins beginnt, endet mit der Aushändigung einer Sterbeurkunde für die Mutter.

 

[1] Interview Peter Carstens mit Boris Pistorius, in: FAZ vom 2.11.2023, Seite 3

[2] Noske, Gustav: Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution, Verlag für Politik und Wirtschaft (Berlin 1920), S. 68

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