Die nächste Stufe des Wahns: 3G im Nahverkehr

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von Dagmar Henn, übernommen via RT Deutsch am 17. November 2021

(Dieser Artikel entspicht nicht der Position der gesamten Partei. Die KPD LO Hessen möchte mit der Veröffentlichung dieses Artikels die Diskussion befördern.)

Es kommt einem vor, als habe irgendjemand einen Wettbewerb für die irrwitzigste Maßnahme ausgeschrieben. Der Preis für den Sieger muss wahrhaft beeindruckend sein. Offenbar fürchten die deutschen Teilnehmer, durch den österreichischen Lockdown für Ungeimpfte ins Hintertreffen zu geraten, und bemühen sich jetzt nach Kräften, die Nachbarn doch noch zu überholen.

Anders kann man die von der kommenden Ampelkoalition geäußerten Pläne zu 3G im Nahverkehr nicht mehr betrachten. Ungeimpfte sollen tatsächlich den öffentlichen Nahverkehr nur noch mit Test benutzen dürfen. Und es steht zu fürchten, dass nicht einmal die Aussage der Polizei, das könne man nicht kontrollieren, sie davon abhält.

Ein Haufen vom Fahrdienst des Bundestags verwöhnte Politiker mit einem durchaus beträchtlichen Einkommen will einen Lockdown für Ungeimpfte durch die Hintertür einführen, der die österreichischen Regeln noch übertrifft. Klar, sie kennen den öffentlichen Nahverkehr nur aus der Heimfahrt in den Wahlkreis in der 1. Klasse der Bahn. Einkaufen gehen sie vermutlich auch nicht. Und da die Justiz sich als zahnlos erwiesen hat, was die Verteidigung selbst banalster Grundrechte betrifft, ignorieren sie sie völlig.

Und jede der drei beteiligten Parteien versenkt ganz nebenbei angebliche Grundsätze – die Sozialdemokraten entziehen abhängig Beschäftigten den Zugang zu ihrem Arbeitsplatz und bringen sie in eine arbeitsrechtlich völlig unklare Lage; die Grünen ignorieren jeglichen sozialen Maßstab, da es nicht die Wohlhabenden sind, die auf den ÖPNV angewiesen sind; und die FDP hat ihre vermeintliche Verteidigung der Freiheit schon auf den ersten Metern preisgegeben.

Wäre der Zustand der Rechtsordnung dieses Landes noch ansatzweise normal, ein solcher Plan müsste an den Gerichten scheitern, weil er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Mal ganz abgesehen von der Legitimität einer Unterscheidung zwischen möglicherweise ansteckenden Ungeimpften und ebenso möglicherweise ansteckenden Geimpften – diese wahnwitzige Idee der Ampler unterscheidet zwischen Ungeimpften. Und zwar zwischen jenen Ungeimpften, die zufällig neben einem Testzentrum wohnen, und allen anderen.

Was sie offenkundig nicht bedacht haben, ist, dass nicht jeder neben einem solchen Testzentrum wohnt. Und dass nicht jeder ein Auto besitzt. Und selbst, wenn die Herrschaften eine tägliche Testpflicht am Arbeitsplatz einführen würden, es noch ein Wochenende gibt, an dem man nicht in die Arbeit fährt. Um dann am Montag ohne Test gar nicht erst in selbige kommen zu können.

Was sie ebenfalls nicht bedacht haben, ist die Tatsache, dass nur ein Bruchteil der Menschen noch in Umgebungen lebt, in denen man vor die Tür tritt und Bäcker, Metzger oder Supermarkt gleich erreicht. Auch zur Grundversorgung kann man den ÖPNV benötigen.

Es gäbe natürlich eine Möglichkeit, das Ganze so zu gestalten, dass es dem Gleichheitsgrundsatz nicht widerspricht – neben jeder, wortwörtlich jeder Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels müsste eine Testmöglichkeit eingerichtet werden. An jeder Bus- oder Trambahnhaltestelle, an jedem kleinen Provinzbahnhof. Nur dann wäre sichergestellt, dass die Voraussetzungen für alle gleich sind.

Und welche Konsequenzen hätte es, sollten von heute auf morgen sämtliche Ungeimpften, die nicht mit dem Auto unterwegs sind, ihre Arbeit nicht antreten können, weil sie den ÖPNV nicht mehr nutzen dürfen (nur zur Erinnerung – auch Taxen sind rechtlich Teil des ÖPNV …)? Wenn willkürlich aus den unterschiedlichsten Bereichen auch nur ein Zehntel der Arbeitskräfte ausfällt, quer durch von Ambulanz bis Zimmermann? Entweder, die Beteiligten haben gar nicht erst über die Folgen nachgedacht, oder sie steuern gezielt ins Chaos.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass Schadensersatzpflichten, die aus dieser Entscheidung resultieren, mit dem Hinweis, die Betroffenen hätten sich impfen lassen können, abgewiesen werden können. Denn wenn der Bundestag auf dem Gesetzesweg die Möglichkeit nimmt, der Arbeitspflicht nachzukommen, wird der Staat auf Schäden, die eventuell Dritten daraus entstehen, auf jeden Fall sitzen bleiben. Was, wenn die Arbeitgeber klagen? Denken wir mal an Verzögerungen beim Fertigstellen von Bauwerken, an fehlende Besetzungen bei Feuerwehren oder, wenn die Polizei bei uns nicht völlig anders gestrickt ist als in den USA, an Unterbesetzungen bei der Polizei. Haben sie sich vorher erkundigt, wie viele Lkw-Fahrer mit dem öffentlichen Nahverkehr zur Arbeit kommen und ungeimpft sind? Und welche Konsequenzen das für die ohnehin angeschlagenen logistischen Strukturen hätte?

Wiederholen wir das mit der Verhältnismäßigkeit, der alles staatliche Handeln gehorchen muss, doch noch einmal: erforderlich, zweckmäßig und mildestes Mittel. Beim letzten Punkt gibt es die übliche glatte 6. Denn wenn man es für nötig hält, die Impfquote zu erhöhen, gäbe es die Möglichkeit, andere Impfstoffe zuzulassen; das wäre, nach dem Ergebnis einer vom Bundesgesundheitsministerium veranlassten Umfrage, tatsächlich zielführend, ohne die Grundrechte eines einzigen Bürgers einzuschränken (es würden nur die Kurserwartungen der Besitzer von BioNTech-Aktien darunter leiden). Wie alle sehen können, wird dieser Schritt nicht einmal in Erwägung gezogen, obwohl er weder aufwendige Kontrollmaßnahmen erfordert noch hohe Kosten auslöst (im Gegenteil, diese Impfstoffe sind weit billiger als die zugelassenen). Solange dieser Kurs beibehalten wird, ist keine der verhängten Maßnahmen das mildeste Mittel.

Mit der Zweckmäßigkeit sieht es ebenfalls nicht gut aus, da mittlerweile nicht mehr bestritten wird, dass auch Geimpfte krank und ansteckend sein können. Der Zweck, eine Ansteckung im ÖPNV zu verhindern, könnte also nur erreicht werden, wenn alle Fahrgäste gleichermaßen getestet sein müssten. Wobei natürlich auch dann die oben erwähnten Probleme gelten – eine Benachteiligung all jener, die nicht neben einem Testzentrum wohnen, müsste vermieden werden.

Beim letzten Kriterium, der Erforderlichkeit, sind wir wieder bei der Frage, ob es die verkündeten Engpässe in den Krankenhäusern tatsächlich gibt und was dafür verantwortlich ist. Aber da braucht man sich keine Sorgen zu machen: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die Ampeltruppe demnächst noch auf eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen einigt. Dann werden wir bald sehen und erleben, welche Folgen es hat, wenn plötzlich ein Teil des Pflegepersonals verschwindet. Die künftige Überlastung wäre selbst ohne Corona dauerhaft sichergestellt.

Man könnte fast meinen, in Berlin wollten sie ausprobieren, an welchem Punkt alles im Chaos versinkt. Und das Einzige, das noch Bedeutung besitzt, ist, vorher dafür zu sorgen, dass das Ergebnis nicht den Verursachern angelastet wird, indem man die Ungeimpften als Sündenbock markiert.

Was ohnehin die Hauptstrategie im Umgang mit all den Dingen zu sein scheint, die die deutsche Politik verbockt. So, wie jetzt schon feststeht, dass Probleme mit der Gasversorgung, sollten sie in diesem Winter eintreten, nicht die Folge der von der EU freigegebenen Spekulation mit Erdgas oder eigener geopolitischer Stümperei sind, sondern ganz sicher die Schuld Russlands. Für jeden Berliner Unfug wird ein Schuldiger gefunden, der nicht in Berlin an der Regierung sitzt. Das macht das Regieren wesentlich leichter, weil man sich das mühsame Nachdenken über die Folgen eigenen Handelns endlich schenken kann.

Eines jedenfalls haben die Ampler schon geschafft: Sie haben einen zusätzlichen Anreiz gesetzt, das Auto anstelle des ÖPNV zu nutzen. Nur im eigenen Fahrzeug entginge man der Testerei und käme sowohl zur Arbeit als auch zum Einkauf. Das ist zwar das Gegenteil dessen, was zumindest die Grünen immer zu wollen behaupten, aber Logik war ja noch nie so das ihre.

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