Zur Kritik der kleinbürgerlichen Volksfront-Orientierung der KP

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Ideologische Kommission der KPD

Die Internationale Kommission der KPD berichtet über die diesjährige Konferenz der Europäischen Kommunistischen Aktion, die unter das Motto: „Historische Schlussfolgerungen aus der Taktik der antifaschistischen Fronten. Der zeitgenössische Kampf der Kommunisten gegen den Faschismus“ gestellt wurde. [1] Dieses Thema beschäftigte auch das Jugendcamp der KPD im Sommer 2023, auf dem sich die KPD von falschen Vorstellungen zur Volksfront distanzierte, die behaupten, dass ein Bündnis mit der Bourgeoisie im Rahmen einer revolutionären Strategie notwendig sei.

 

Ein wichtiger Baustein für die Thesen der Notwendigkeit einer „breiten Volksfront“, oder eines solchen „breiten Bündnisses“ im Kampf gegen Faschismus und für den Sozialismus ist die falsche Charakterisierung von Teilen der Bourgeoisie, wie zum Beispiel des Kleinbürgertums. Das Kleinbürgertum wird von interessierter Seite als eine „eigenständige Klasse“ zwischen Bourgeoisie und Proletariat dargestellt, die gegenteilige Interessen als die Bourgeoisie, ja sogar „antimonopolistische“, bzw. „antiimperialistische“ Interessen vertreten könne.

Selbst bei Organisationen und Parteien, die vorgeben sich sehr strikt gegen das Bündnis mit Teilen der Bourgeoisie zu positionieren, gibt es immer wieder Tendenzen, das Kleinbürgertum von der Bourgeoisie loszulösen.

Die Behauptung eines Wesensunterschiedes des Kleinbürgertums von der Bourgeoisie, soll die Notwendigkeit eines „breiten Bündnisses“ der Arbeiterklasse mit Teilen des Kleinbürgertums im Kampf um den Sozialismus beweisen.

1. Die Trennung des Kleinbürgertums von der Bourgeoisie

Zur Charakterisierung des Kleinbürgertums schreibt beispielsweise die Grundlagenschulung der Kommunistischen Partei (KP, vormals Kommunistische Organisation) folgendes:

„Zwischen dem Kapital und der Arbeiterklasse steht das Kleinbürgertum. Im engeren Sinne gehören zum Kleinbürgertum kleine Eigentümer, die ein eigenes Geschäft auf Grundlage des Eigentums an Produktionsmitteln besitzen, aber keine oder nur sehr wenige Arbeiter ausbeuten. Selbst wenn sie wenige Arbeitskräfte einstellen, können sie nicht vom Profit ihres Unternehmens leben und müssen selbst darin arbeiten. Sie gehören also weder zur Kapitalistenklasse, noch zur Arbeiterklasse, sondern bilden eine eigene Gruppe. Das Kleinbürgertum in den Städten besteht z.B. aus kleinen Händlern, Handwerkern, Restaurantbesitzern oder niedergelassenen Ärzten mit eigener Praxis. Das ländliche Kleinbürgertum sind die Bauern, die einen eigenen kleinen Hof haben, auf dem sie selbst arbeiten.“ [2]

Zum Kleinbürgertum zählt die KP also „kleine Eigentümer, die ein eigenes Geschäft auf Grundlage des Eigentums an Produktionsmitteln besitzen, aber keine oder nur sehr wenige Arbeiter ausbeuten.“ Es handelt sich um eine Gruppe, die Privateigentum an Produktionsmitteln besitzt. Diese Gruppe ,zählt die KP „weder zur Kapitalistenklasse, noch zur Arbeiterklasse“. Die Trennung jener Gruppe von der Kapitalistenklasse wird wie folgt begründet: Kleinbürger würden „nur sehr wenige Arbeiter ausbeuten“, könnten „nicht vom Profit ihres Unternehmens leben“, hätten nur wenige Produktionsmittel, wie z.B. nur „einen eigenen kleinen Hof“ und müssten „selbst arbeiten“.

Natürlich ist daran richtig, dass das Kleinbürgertum in der kapitalistischen Konkurrenz eine eher untergeordnete Rolle spielt. Es hat nur wenig Eigentum an Produktionsmitteln, beutet nur wenige bis gar keine Arbeiter aus und ist folglich zu keiner nennenswerten Kapitalakkumulation fähig. Auch die Vormachtstellung der Monopole auf dem Markt, erschwert den Konkurrenzkampf für das Kleinbürgertum.

Interessant ist hierbei der von der KP aufgeführte Begründungszusammenhang: Die Tatsache, dass das Kleinbürgertum eine schwächere Position in der kapitalistischen Konkurrenz einnimmt, indem es beispielsweise zu wenig Profit macht, dient der KP als Begründung, dem Kleinbürgertum seine Zugehörigkeit zur Kapitalistenklasse abzusprechen.

Die Begründung für diese willkürliche Trennung des Kleinbürgertums von der Bourgeoisie, zwecks schwächerer Position in der kapitalistischen Konkurrenz, hält sich im Überbau auf und hat mit der Stellung zu den Produktionsmitteln, aus der wir eine Klasse begreifen, jedoch nichts zu tun.

Überall dort, wo das Privateigentum an Produktionsmitteln existiert, besteht die Grundlage für die Warenproduktion. Die Ware führt, durch das Wertgesetz, aus sich selbst heraus zu allen weiteren Bestandteilen des Kapitalismus/Imperialismus. So gelten die Triebkräfte des Kapitalismus nicht nur für die Monopolbourgeoisie, sondern überall, wo das Privateigentum an Produktionsmitteln herrscht.

Damit gehört auch das Kleinbürgertum aufgrund seines Privateigentums an Produktionsmitteln zur Klasse der Kapitalisten. Das Kleinbürgertum ist denselben Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Konkurrenz unterworfen wie andere Teile der Bourgeoisie und hat somit kein objektiv gegensätzliches, den Kapitalismus aufhebendes Interesse. Prekäre Situationen, sowie schlechte Lebensbedingungen bringen das Kleinbürgertum nicht von seinem bürgerlichen Klasseninteresse ab – im Gegenteil: diese klammern das Kleinbürgertum nur noch enger an sein Eigentum fest.

Die These der Trennung des Kleinbürgertums von der Bourgeoisie, leugnet die Gültigkeit der marxistischen Kapitalanalyse, leugnet das aus dem Privateigentum an Produktionsmitteln folgende Wertgesetz, dessen Wirkung einen Wesensunterschied zwischen den verschiedenen Teilen der Bourgeoisie ausschließt.

Im heutigen monopolkapitalistischen Entwicklungsstadium des Wertgesetzes, rächt sich eine solche These besonders: Das oft gebrachte idealisierende Beispiel des „Bäckers an der Ecke“ mit seinen drei Angestellten ist gleichzeitig ein Beispiel für eine einfache Form der Monopolisierung. Aufgrund ihrer prekären Situation, sind Kleinbäcker in der Regel auch Mitglied einer Interessensvertretung, wie z.B. einer Handwerkskammer, in der mehrere kleinere Unternehmen ihre gemeinsamen Interessen wahren. Mit einer solchen Interessensvertretung verteidigt das Kleinbürgertum seine ökonomische Stellung mittels Absprachen über Produktion und Verkauf der Waren.

Dieses Beispiel zeigt auf, dass eine rasiermesserscharfe Unterscheidung des Kleinbürgertums von der mittleren- oder monopolistischen Bourgeoisie nicht möglich ist. Der Monopolkapitalismus umfasst alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Egal wie „gut“, oder „schlecht“ [3] die Lebensbedingungen der einzelnen Privateigentümer sind: Sie produzieren alle nach derselben Logik und haben das gleiche Interesse an der Aufrechterhaltung des Privateigentums an Produktionsmitteln und damit des Kapitalismus.

2. Das Kleinbürgertum als möglicher Bündnispartner für den Sozialismus

Die qualitative Unterscheidung des Kleinbürgertums von der Bourgeoisie führt die KP zu gravierenden Fehleinschätzungen in der Bündnisfrage. Im Kampf um den Sozialismus soll die Arbeiterklasse nun ein Bündnis mit dem Kleinbürgertum eingehen.

Auf dem Kongress ihrer Vorgängerorganisation Kommunistische Organisation (KO) vertrat sie folgende Thesen zur „strategischen Bündnispolitik“:

Unsere strategische Bündnispolitik, also unsere Bündnispolitik für den Sturz der Kapitalherrschaft in Deutschland, bezieht sich auf das Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und anderen Klassen und Schichten. Es geht darum, eine gemeinsame Front all jener zu schaffen […] die kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Kapitalismus haben: Die Arbeiterklasse und Teile des Kleinbürgertums – vor allem kleine Ladenbesitzer, Selbstständige und Kleinbauern. Dabei muss die Arbeiterklasse die führende Rolle einnehmen, denn nur sie hat objektiv ein konsequentes Interesse an der Überwindung des Kapitalismus, während das Kleinbürgertum objektiv eine zwischen Sozialismus und Kapitalismus schwankende Rolle einnimmt. Die Vorstellung einer gemeinsamen Front ist nicht zu verwechseln mit der historischen sogenannten Volksfrontpolitik der kommunistischen Bewegung, die auch explizit Teile der Bourgeoisie – und zwar der nichtmonopolistischen Bourgeoisie – miteinbezog. Unserer Ansicht nach kann es kein Bündnis mit Teilen der Bourgeoisie im Rahmen einer revolutionären Strategie geben.“ [4]

Der Ausgangsthese folgend meint die KP, dass „Teile des Kleinbürgertums“, „kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Kapitalismus“ hätten. Das Kleinbürgertum nehme „objektiv eine zwischen Sozialismus und Kapitalismus schwankende Rolle“ ein.So müsse mit dem Kleinbürgertum „eine gemeinsame Front“ geschaffen werden, wobei in dieser Front „die Arbeiterklasse die führende Rolle einnehmen“ könne. Dieses Bündnis mit dem Kleinbürgertum hätte aber nichts mit der „historischen sogenannten Volksfrontpolitik“ zu tun, welche aufgrund des Bündnisses mit Teilen der Bourgeoisie abgelehnt werde.

So schön die tarnenden und nebulös anmutenden Worte einer „gemeinsamen Front unter Führung der Arbeiterklasse“ auch klingen mögen: Die von der KP geforderte Front entspricht einem Bündnis mit der Bourgeoisie und steht daher der historischen Volksfrontpolitik in Nichts nach. Das Kleinbürgertum wird sich aufgrund seiner Stellung zu den Produktionsmitteln immer gegen die proletarische Revolution richten oder versuchen, die Front in für die Bourgeoisie annehmbare Bahnen zu lenken. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Front von der KP nicht bloß als Taktik, sondern als Teil einer „strategischen Bündnispolitik“ gefordert wird. So wird die Volksfront für allgemeingültig im Kampf um den Sozialismus erklärt, was die Realisierung desselben unmöglich macht.

3. Schlussbetrachtung

Wir haben gesehen, wie eine selbst vermeintlich minimale Aufweichung in der marxistischen Kapitalanalyse und in der marxistischen Klassentheorie letztlich zur Aufgabe des sozialistischen Ziels führt.

Den qualitativen Begriff der Klasse, der sich auf die Stellung zu den Produktionsmitteln bezieht, löst die KP zu Gunsten von quantitativen Überlegungen (Großkapital versus „Kleiner Bäcker“, viel Kapital gegen wenig Kapital, viele Produktionsmittel gegen wenig Produktionsmittel) auf, um einen Wesensunterschied zwischen dem Kleinbürgertum und der Bourgeoisie festzumachen. Dieser Wesensunterschied dient der KP schließlich als Legitimation ihrer kleinbürgerlichen Volksfront-Orientierung im Kampf um den Sozialismus.

Das Kleinbürgertum ist Eigentümer an Produktionsmitteln, produziert nach dem Wertgesetz und ist daher nicht Gegensatz, sondern Bestandteil der Bourgeoisie. Ein Bündnis mit der Bourgeoisie im Kampf um den Sozialismus ist nicht möglich.

Dass die KP so etwas vertritt ist dramatisch, denn das ist historisch mehrfach der Türöffner dazu gewesen, Parteien komplett in den revisionistischen Sumpf zu führen: die kommunistischen Parteien Italiens, Spaniens, Frankreichs, Österreichs, und schließlich - etwas anders gelagert aber im Wesen trotzdem ähnlich - die KPdSU und aktuell die KP Cubas („Sind sie keine Kubaner?“ fragte der Staatschef bezogen auf die Privatunternehmer). Und das war jetzt nur eine kleine Auswahl.

 

[1] Vgl. Internationale Kommission. Europäische Kommunistische Aktion: Schlussfolgerungen aus den Taktiken der antifaschistischen Fronten. URL: http://k-p-d.org/index.php/aktuell/1424-europaeische-kommunistische-aktion-schlussfolgerungen-aus-den-taktiken-der-antifaschistischen-fronten

[2] Kommunistische Partei. Marxismus-Leninismus, Entwurf einer Grundlagenschulung der Kommunistischen Organisation, S. 141. URL: https://kommunistischepartei.de/wp-content/uploads/2023/04/GLS_digital_1-2023-1.pdf

[3] Hier sollte man aufpassen, dass man sich nicht in einer Moraldebatte verliert.

[4] Podium „Revolutionäre Strategie gegen den deutschen Imperialismus“ (KO, KA, KJ, Kommunismus Kongress 2023, URL: https://youtu.be/IVM5nEBIGA4?si=RGVkU7vyAVhmofHS&t=1684, Minute: 28:04)

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