Rede anläßlich des 130. Geburtstages von Ernst Thälmann in Dresden
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- Kategorie: Sachsen
- Veröffentlicht am Donnerstag, 28. April 2016 18:10
- Geschrieben von estro
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Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben uns hier versammelt, um dem Geburtstag von Ernst Thälmann, der sich in diesem Monat zum 130. mal jährt zu gedenken. Uns allen ist Thälmann bekannt, und dennoch kann es nicht verkehrt sein, sich aus diesem Anlaß seiner Biographie zu erinnern. Insbesondere deswegen, weil hierbei auch bestimmte Schlußfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen sind.
Zur Biographie
Ernst Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg als Sohn eines Gastwirts geboren. Bereits sein Vater war Mitglied der damals noch revolutionären Sozialdemokratischen Partei, in die auch Ernst Thälmann am 15. Mai 1903 als Hafen- und Transportarbeiter eintrat. Er wurde am 1. Februar 1904 ebenfalls Mitglied im Deutschen Transportarbeiter-Verband, in dem er in der Folgezeit wichtige verantwortliche Positionen einnahm. Am 17. Januar 1906 nahm er am Proteststreik gegen die geplante Wahlrechtsverschlechterung in Hamburg, dem ersten politischen Massenstreik in Deutschland, teil. Thälmann stand schon als junger Arbeiter und Gewerkschafter auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes und trat gegen den Opportunismus in der deutschen Arbeiterbewegung auf. Er bekämpfte entschieden die Bestrebungen reformistischer Gewerkschaftsführer, dem 1. Mai den Charakter eines Kampftages zu nehmen, und forderte, die Gewerkschaften zu Organen des Kampfes gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung zu machen. Nach seinem Militärdienst, in dem er seine antimilitaristische Arbeit fortsetzte und deswegen bestraft wurde, gehörte er zu den linken Kräften in der USPD. Ernst Thälmann begrüßte begeistert den Sieg der russischen Arbeiter und Bauern in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. In der Novemberrevolution 1918 organisierte er gegen den Willen der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführung die Bewaffnung der revolutionären Arbeiter Hamburgs. Seit März 1919 gehörte er der hamburgischen Bürgerschaft und seit Mai 1924 dem Reichstag an. Thälmann erkannte frühzeitig, daß mit der Gründung der KPD das Fundament für die Wiedervereinigung der deutschen Arbeiterbewegung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus gelegt war. Seiner Ansicht nach kam es nun darauf an, die Kommunistische Partei zu einer Massenpartei zu machen, was am schnellsten durch Vereinigung mit der USPD zu bewerkstelligen wäre. Als Vorsitzender der Ortsgruppe Hamburg der USPD ab 1919 hatte er entscheidenden Anteil daran, daß die große Mehrheit der Hamburger Mitglieder der USPD sich mit der KPD vereinigte. Thälmann nahm am Vereinigungsparteitag der USPD-Linke mit der KPD 1920 teil. Von Dez. 1920 bis Mai 1923 gehörte er dem Zentralausschuß an. Er war weiterhin Delegierter des III., V. Und VI. Weltkongresses der KI. Im Mai 1923 wurde Thälmann vom Zentralausschuß als Vertreter der „linken“ proletarischen Strömung in der KPD in die Zentrale der Partei gewählt. Am Aufstand der Hamburger Arbeiter vom 23. bis 25. Oktober 1923 war er aktiv beteiligt. Aus der Niederlage zog er die Lehre, die KPD zu einer geschlossenen, disziplinierten und mit den Massen eng verbundenen marxistisch-leninistischen Partei zu entwickeln. Von Februar bis April 1924 war Thälmann stellvertretender Vorsitzender der KPD. Nach den Auseinandersetzungen mit den Ultralinken in der Partei ging schließlich eine stabile marxistisch-leninistische Parteiführung hervor. Auf der I. Parteikonferenz der KPD im Oktober 1925 wurde er zum Vorsitzenden des Zentralkomitees der KPD gewählt. Unter seiner Leitung wurden die ideologischen und organisatorischen Prinzipien des Leninismus systematisch in der Partei durchgesetzt. Beharrlich kämpfte Thälmann für die Herstellung der Einheitsfront der Arbeiterklasse und für ein Bündnis mit den werktätigen Bauern.
Die 1. Reichskonferenz des Roten Frontkämpferbundes (RFB) in Berlin (1. Februar 1925) wählte Thälmann zum Vorsitzenden dieses antimilitaristischen, proletarischen Wehrverbandes. Im März und April 1925 kandidierte er bei den Reichspräsidentenwahlen und erhielt im zweiten Wahlgang über 1,9 Millionen Stimmen. Thälmann war glühender Internationalist und fühlte sich mit der Sowjetunion fest und unverbrüchlich verbunden. Die Stellung zur Sowjetunion entschied seiner Ansicht nach über die Frage, zu welchem Lager man in den Fragen deutscher Politik gehört, zum Lager der Revolution oder zum Lager der Konterrevolution. Er leistete als Vorsitzender der KPD und führender Funktionär der KI einen bedeutenden Beitrag zur schöpferischen Anwendung des Marxismus-Leninismus. Thälmann hatte Anteil u.a. an der Analyse neuer Erscheinungen des Imperialismus, insbesondere des Faschisierungsprozesses und an der Weiterentwicklung der Einheitsfront- und Bündnispolitik der KPD. Thälmann warnte frühzeitig vor der faschistischen Gefahr. Die von ihm maßgeblich geprägte antifaschistische Politik der KPD, die Politik einer breiten antifaschistischen Abwehrfront gegen die Offensive des deutschen Monopolkapitals zu Beginn der dreißiger Jahre, schlug sich nieder in so grundlegenden Dokumenten wie der Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes (vom 24. August 1930), dem Bauernhilfsprogramm (vom 16. Mai 1931) und dem Arbeitsbeschaffungsplan der KPD (vom 29. Mai 1931). Als die Bourgeoisie in den 30er Jahren mit der Entwicklung der kommunistischen Bewegung um seine Macht fürchtete, traten führende Köpfe des Monopolkapitals (Schacht, Schröder, Thyssen, Vögler, Krupp u.a. ) - an Reichspräsident Hindenburg mit der Forderung heran Hitler zum Reichskanzler zu ernennen – was auch am 30. Januar 1933 erfolgte. In der Einigung der Arbeiterklasse sah Thälmann die entscheidende Voraussetzung für den Zusammenschluß aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte und damit den einzigen Weg zur Verhinderung der faschistischen Diktatur. Ausführlich legte Thälmann die Notwendigkeit und das Wesen der Einheitsfront in einem Gespräch dar, das er mit 20 sozialdemokratischen Funktionären am 8. Juli 1932 führte. Er betonte, dass das unterschiedliche Mitgliedsbuch Kommunisten und Sozialdemokraten nicht trennen dürfe und dass die KPD die Einheitsfront mit den sozialdemokratischen Organisationen suche. Getreu dieser Linie veranlaßte Thälmann, daß die KPD am 20. Juli 1932 – als die sozialdemokratisch geführte Regierung des Landes Preußen durch den Staatsstreich F. v. Papens beseitigt wurde – der Führung der SPD anbot, den Staatsstreich gemeinsam abzuwehren. Doch diese lehnte es ab, Widerstand gegen diesen neuen Schritt zum Faschismus zu leisten. Weit vorausschauend, warnte er im Frühjahr 1932, als er wiederum bei den Reichspräsidentenwahlen kandidierte:“Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ Bei diesen Wahlen stimmten im März 1932 für den Hamburger Hafenarbeiter und Vorsitzenden der KPD fünf Millionen Deutsche.
Wenige Tage nach Errichtung der faschistischen Diktatur zog Thälmann auf der illegalen Tagung des Zentralkomitees am 7. Februar 1933 im Sporthaus Ziegenhals (bei Berlin) wichtige Schlußfolgerungen für die weitere Strategie und Taktik des Kampfes der KPD. Diese Gedanken gingen in die Generallinie der KPD zum Sturz der Hitlerregierung ein, die mit Unterstützung der KI vor allem von Pieck und Ulbricht ausgearbeitet wurde und in den Beschlüssen der Brüsseler Parteikonferenz ihren Niederschlag fand.
Thälmann fiel am 3. März 1933 seinen faschistischen Todfeinden in die Hände. Er wurde von 1933 bis August 1937 in Berlin-Moabit, von 1937 bis August 1943 in Hannover und seit 1943 in Bautzen in strenger Einzelhaft gehalten. Trotz strenger Isolierung konnten die Faschisten nicht verhindern, daß die Führung der KPD die Verbindung zu Thälmann aufrechterhielt. Durch Kuriere, die jahrelang regelmäßig nach Deutschland fuhren, wurde Thälmanns Ehefrau Rosa mit Informationen versorgt, die sie bei ihren Besuchen an Thälmann weitergab. Auf ähnliche Weise gelangten dessen Hinweise und Niederschriften in die Hände der Parteiführung. Die mächtige Solidaritäts- und Befreiungsbewegung, die Tätigkeit der in vielen Ländern gegründeten Befreiungskomitees, die Forderungen von Millionen Antifaschisten nach Befreiung Thälmanns waren eine große moralische Unterstützung für Thälmann. Er blieb auch während seiner Gefangenschaft der anerkannte Führer der KPD. Die Brüsseler und die Berner Parteikonferenz wählten ihn zum Mitglied des Zentralkomitees. Auch die KI wählte Thälmann auf dem VII. Weltkongreß 1935 wieder zum Mitglied ihres Exekutivkomitees.
Als die Faschisten ihre Niederlage herannahen sahen, wurde Thälmann schließlich auf direkten Befehl Adolf Hitlers und Heinrich Himmlers von Bautzen in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert und dort hinterrücks ermordet. Als die Bluttat im Lager bekannt wurde, ehrten politische Häftlinge in einer illegalen Gedenkfeier den ermordeten Führer der KPD. Die Nachricht von der Ermordung Thälmanns wurde in der internationalen Arbeiterbewegung mit tiefer Erschütterung aufgenommen. Georgi Dimitroff urteilte: “Der große deutsche kommunistische Führer ist gefallen. Die Kommunistische Partei Deutschlands aber soll und wird leben und ihre Befreiungsmission trotz alledem zum siegreichen Ende führen.“ Die Kommunisten waren die bedeutendste und zahlenmäßig stärkste Kraft im Kampf gegen den deutschen Faschismus. Mit seiner Standhaftigkeit wurde Thälmann – trotz Folter und Bestechungsversuche – für alle, die in faschistischen Zuchthäusern und Konzentrationslagern der Willkür der Nazis ausgesetzt waren, zum Vorbild. Er wurde in aller Welt zum Symbol eines anderen Deutschland.
Es stellt sich nun die Frage nach den historischen Parallelen zur gegenwärtigen politischen Situation
Die Weltwirtschaftskrise zu Zeiten Thälmanns begann mit dem New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929. Zu den wichtigsten Merkmalen der Krise zählten u.a. ein starker Rückgang der Industrieproduktion, des Welthandels, der internationalen Finanzströme und Bankenkrisen, die massenhafte Arbeitslosigkeit, soziales Elend und politische Krisen verursachte. Die Zahl der Arbeitslosen lag in Deutschland im Februar 1930 bei 3,5 Millionen und erreichte im Februar 1932 ihren Höhepunkt mit 6.120.000. Die Weltwirtschaftskrise ab 2007 war eine klassische Überproduktionskrise und wurde nach bürgerlicher Lesart ausgelöst durch das Platzen einer Immobilienpreis-Blase, mit einhergehender Finanz- und Bankenkrise, auf die später Staatsschuldenkrisen bis zum Teil Staatskrisen wie in Griechenland folgten. Zudem kam es zu Hungerkrisen in armen Ländern. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise wird gemeinhin als schwerste Krise seit der ersten Weltwirtschaftskrise betrachtet. Im Rahmen der Bankenrettung wurden einige Banken verstaatlicht und später geschlossen, die Risiken der Privatwirtschaft wurden zu Schulden der Allgemeinheit. Der IWF schätzte im August 2009 die Gesamtverluste der weltweiten Realwirtschaft auf 11,9 Billionen US-Dollar. Der Rückgang der Industrieproduktion ist vergleichbar mit dem im ersten Jahr der Weltwirtschaftskrise 1930 in Deutschland und den USA. Die Zahl der Arbeitslosen im Februar 2016 wird mit einem Wert von 3.017.000 angegeben. Zur verdeckten Arbeitslosigkeit, die in nicht unerheblichem Maße vorhanden sein muß, gibt es offenbar nur Schätzungen. Allerdings existiert eine Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes vom 1. Dezember 2014. Hiernach bezogen am Jahresende 2013 7,38 Millionen Menschen und damit 9,1 % der Bevölkerung soziale Mindestsicherung. Es ist zu merken, daß die Krise des Kapitalismus immer größere Ausmaße annimmt.
Allein in Dresden gingen am 12. Januar 2015 schätzungsweise 17.000 PEGIDA-Anhänger auf die Straße. Der typische Anhänger stammt aus der sogenannten Mittelschicht und protestiert gegen die herrschende Politik, kritisiert die Medien und hat grundlegende Vorbehalte gegen Zuwanderer und Asylbewerber. Es entspricht dem Wesen des Kapitalismus, daß Reichtum reicher und Armut ärmer wird, d.h. daß immer mehr Menschen auch durch die Lawine des Sozialabbaus zu den Verlierern dieses politischen Systems gehören. Die PEGIDA-Anhänger merken, daß sie zu diesen Verlierern gehören werden. Jedoch hat ihr Absturz ins Proletariat oder gar Prekariat nichts zu tun mit den Asylbewerbern, die hier aufgenommen werden. Es hat zu tun mit den genannten Verteilungsprozessen in dieser Gesellschaft – mit der Schere zwischen arm und reich, die immer weiter auseinandergeht. Leider führt die Unzufriedenheit nicht zu antikapitalistischen Strategien, sondern wird kanalisiert im Sinne von Rassismus und Chauvinismus. Dies jedoch ist eine wichtige Voraussetzung für die allgemeine Akzeptanz imperialistischer Kriege. Insofern spielen extrem rechte Parteien und Organisationen eine wichtige systemstabilisierende Rolle.
Als zu Beginn der 20er-Jahre sich die ersten Krisenerscheinungen bemerkbar machten, die schließlich in der Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt fanden, zeigte Thälmann auf, wie trotz steigender Gewinne, die Eigentümer des Großkapitals und die in ihrem Interesse die Macht ausübende Regierung alle Lasten dem werktätigen Volk aufbürdeten. Hier zeigt sich wieder eine geschichtliche Parallele zur Weltwirtschaftskrise ab 2007, als die Allgemeinheit ungefragt für die Bankenrettung haften mußte.
Welche Lehren ergeben sich aus der Geschichte gegen Imperialismus und Faschismus?
Als sich in der Weltwirtschaftskrise die Klassengegensätze verschärften und die Arbeiterklasse unter Führung der KPD die kapitalistische Herrschaft bedrohte, errichtete die Bourgeoisie die faschistische Diktatur und stürzte die Völker in den 2. Weltkrieg. Die Zusammenarbeit der rechten SPD-Führer mit der Bourgeoisie und ihre Ablehnung des außerparlamentarischen Kampfes und ihre Feindschaft gegenüber dem Marxismus-Leninismus spaltete die Arbeiterklasse und ermöglichte der Bourgeoisie die Errichtung der faschistischen Diktatur. Auch als es nach dem Krieg um die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien auf dem Boden der westlichen Besatzungszonen ging, waren es die Führer der Sozialdemokratie, die dem Willen der Mehrheit der Mitglieder der Partei nicht Rechnung trugen und sich wieder auf die Seite des Klassengegners schlugen.
Es wird auch heute eine wichtige Frage bleiben, welche Kräfte Hitler den Weg ebneten, ihn unterstützten und die Machtergreifung als ihre große Chance sahen. Es scheint offensichtlich zu sein, daß Faschismus eine extreme Herrschaftsform zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung ist. Auch heute ist das Monopolkapital bereit, militärische Gewalt gegen die Bedrohung ihrer imperialistischen Interessen einzusetzen. Der deutsche Faschismus wurde geschlagen, aber diejenigen, die ihm die Macht übergaben, haben seine Niederlage überlebt. Unsere Aufgabe besteht heute zum einen darin, die Überzeugung zu entwickeln, daß es zum Untergang dieses sich historisch überlebten Systems nur die Alternative seiner revolutionären Überwindung gibt und zum anderen, daß hierfür eine Massenbasis zu schaffen ist.
Thälmann sah in der Einigung der Arbeiterklasse die entscheidende Voraussetzung für den Zusammenschluß aller antifaschistisch-demokratischen Kräfte und damit den einzigen Weg zur Verhinderung der faschistischen Diktatur. Seine Vision erfüllte sich leider erst nach dem Krieg mit der organisatorischen Vereinigung von KPD und SPD zur SED. Die Idee der Vereinigung marxistisch-leninistischer Kräfte in einer Partei bleibt sein Vermächtnis, das wir zu erfüllen haben.