Interview der KPD-Jugend mit Werner Schleese
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- Kategorie: Jungkommunist
- Veröffentlicht am Freitag, 20. Januar 2023 08:31
- Geschrieben von estro
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Vorbemerkung: Die Jugend der KPD veröffentlicht hiermit die gekürzte Fassung eines Interviews mit dem Genossen Werner Schleese, welcher uns über sein Leben in der DDR, über seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Wiedergründung der KPD, sowie über die Gesprächen mit anderen kommunistischen Parteien nach der Konterrevolution ausführlich berichtete. Das Interview fand letzten Sommer in der Wohnung des Genossen Schleese in Frankfurt Oder statt. Im Vorfeld des Interviews wurde in der Parteijugend gemeinsam ein Fragenkatalog ausgearbeitet, welcher dann an Werner über den Genossen Jens Röstel (ebenfalls aus Frankfurt Oder) weitergeben wurde. Wir danken dem Genossen Schleese für die Zeit, die er sich zur Beantwortung der Fragen für uns genommen hat.
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Zeit nach dem Krieg und Wiederaufbau
KPD-Jugend: Du bist im Jahr 1937 geboren. Hast Du noch Erinnerungen an die Zeit des Hitlerfaschismus? Wie hast Du den II. Weltkrieg miterlebt?
W. Schleese: Ich hatte Glück, das sogenannte „Jungvolk“ des Faschismus wurde in der Schule ab 1944 nicht mehr wirksam. Wir wurden tageweise mit unseren Lehrerinnen zur Sammlung von Heilkräutern eingesetzt. Das Ende des Krieges erlebte ich Ende 1944 mit Mutter und vielen anderen in einem Luftschutzkeller uns gegenüber, als die Rote Armee in Landsberg einrückte. Da sah ich auch meinen ersten Toten. Ein hoher Offizier der Luftwaffe war aus dem Keller, als die ersten Panzer einrollten, in seine Wohnung gegangen und hatte sich mit seiner Pistole erschossen. Weinend kam seine Familie in den Keller zurück.
KPD-Jugend: Wie hast Du die Sowjetsoldaten als Kind wahrgenommen? Galten die Soldaten für Dich damals schon als Befreier, oder wurde Dir das erst später klar?
W. Schleese: Wochen später übernachteten in unserem Haus drei hohe sowjetische Offiziere. Sie stellten sich in Deutsch als Kulturspezialisten vor, waren jüdischen Ursprungs und wollten zu den deutschen Kulturgütern nach Berlin. Sie versorgten uns vorbildlich mit Nahrungsmitteln. Ihre drei Wachsoldaten gaben mir mit großem Grinsen die erste Maclorka-Zigarette. Als ich mit Mutter und Handwagen im Sommer 1945 auf den großen Treck in westlicher Richtung ging, mußten wir nördlich von Küstrin über eine von der Roten Armee gespannte Pontonbrücke über die Oder. Eine junge Frau mit zwei Kleinkindern stürzte sich plötzlich in die Oder. Einer der sowjetischen Wachsoldaten, die Maschinenpistole mit rundem Magazin vor der Brust, sprang sofort hinterher und rettete die Frau. Meine Mutter führte die beiden Kinder bis zu dem Zelt, wo die verzweifelte Mutter mit alten Armeekleidern der Roten Armee versorgt wurde. In Seelow trafen wir auf dem Marktplatz die junge Frau wieder. Sie war froh, daß alles so ausgegangen war. In Flatow bei Nauen, wo Mutter und ich auf einem kleinen Bauernhof gelandet waren, lag in den Wäldern noch viel Kriegszeug der Deutschen. Die größeren Jugendlichen, die bereits in der „Hitlerjugend“ waren, konnten damit umgehen. Und so schossen sie über einige hundert Meter eine große Strohmiete in Brand. Sofort kamen per Armeewagen Soldaten des Kommandos der Sowjetarmee und nahmen uns alle fest. Die Nacht verbrachten wir im Keller bei Essen und Getränken. Der Bürgermeister mußte die Eltern verständigen. Am nächsten Morgen durften wir nach großen Belehrungen in die Schule gehen. Das sind Episoden, die mein positives Verhältnis zur Sowjetarmee und zur Sowjetunion ein Leben lang geprägt haben. Und als diese Armee aus Frankfurt (Oder) abzog, organisierte die DSF ein Treffen mit Offizieren und Soldaten. Ehrlichen Herzens bedankte ich mich öffentlich bei ihnen.
KPD-Jugend: Wie hast Du 1946 die Vereinigung der KPD und SPD zur SED erlebt? Kannst Du uns etwas über die Volkskongressbewegung für Einheit und gerechten Frieden und über die Initiative der SBZ für den Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands erzählen?
W. Schleese: Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED habe ich zwar in Nachrichten und Zeitungen zur Kenntnis genommen aber nicht politisch werten können. Das war bei der Volksbewegung für Einheit und gerechten Frieden schon anders. Nach der Stalin-Note für einen Friedensvertrag mit ganz Deutschland war die politische Diskussion zumindest in der sowjetischen Besatzungszone stark angewachsen. Sie spielte, glaube ich, auch unter uns Schülern eine Rolle.
KPD-Jugend: Wie lief der Wiederaufbau in der SBZ bis zur Gründung der DDR konkret ab?
W. Schleese: Der Wiederaufbau in der SBZ war natürlich eine komplizierte Sache, da es an vielen materiellen Gütern fehlte. Meine Eltern als sogenannte Übersiedler waren arme Leute. Vater, so 1947 aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft entlassen, arbeitete wieder als Waldarbeiter und machte sogar noch seinen Facharbeiterbrief, Mutter half in der Landwirtschaft. Es gab Lebensmittelkarten. Auf dem Dorf behalfen wir uns mit Ziegen, Hühnern, Enten, Kaninchen und mehreren Gärten. Die Grundschule mühte sich kräftig. Die meisten unserer jungen Lehrer waren vorzeitig aus der Gefangenschaft in der SU entlassen worden. Sie lernten quasi mit uns gemeinsam und machten nach und nach ihre Prüfungen. Und sie fuhren in den Ferien schon mit uns an die Ostsee und an den Harz. Meine Klassenlehrerin borgte von ihren Eltern ein altes Damenfahrrad, damit ich mitfahren konnte. Verpflegung sammelten wir vorher bei den Bauern im Dorf.
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Revolution und allmählicher Aufbau des Sozialismus in der DDR
KPD-Jugend: Wie funktionierten die Ausleihe und Rückgabe der Maschinen und Traktoren auf dem Dorf praktisch? Gab es da irgendwelche Bedingungen, die man als Bauer erfüllen musste, damit dieser sich das Volkseigentum ausleihen durfte?
W. Schleese: In Flatow, einem ehemaligen Großbauerndorf, entstand im alten Bauerngebäude eine Maschinen-Traktorenstation. Zunächst waren alte Traktoren überall zusammen gesucht, später bei den enteigneten Großbauern, die Neubauernstellen in Mecklenburg bekamen, konfisziert. Hinzu kamen dann nach und nach Maschinen aus eigener Produktion. Natürlich wurden die Neubauern, und in Flatow gab es viele, bevorzugt von der MAS betreut, wie auch für dieses Dorf ein riesiges Programm für den Neubau von Neubauernhäusern, in eins mit Ställen für das Viehzeug, gestartet wurde.
KPD-Jugend: Wie hast Du den Prozess der Kollektivierung der Landwirtschaft konkret miterlebt?
W. Schleese: Die Kollektivierung der Landwirtschaft habe ich als Lokalredakteur des „Neuen Tag“ im Kreis Angermünde selbst miterlebt. Man bemühte sich anhand schon bestehender LPG vor Ort die Bauern zu überzeugen, gemeinsam zu arbeiten, zumal damals die MTS bereits über moderne Landmaschinen verfügten. Es kam zu Versammlungen und Einzelgesprächen. Ich kann nicht bestreiten, daß einige Funktionäre nicht das Zeug hatten, geduldig und vernünftig mit den Bauern zu reden. Das führte dazu, daß ein Teil der Bauern die DDR gen Westen verließen, zumal der Sender „Rias“ mächtig gegen die Kollektivierung hetzte und jeden Fehler, der ihn bekannt würde, nützte. In Kümmerow, wo ich als Fachschullandwirt später war, traten die letzten zwei Bauern erst viel später der LPG bei. Ein langsamerer Weg wäre der richtige gewesen.
KPD-Jugend: Auf der I. Parteikonferenz der SED 1949 wurde ihre Umformung zur Partei neuen Typus beschlossen und auf der II. Parteikonferenz 1952 dann der Aufbau des Sozialismus in der DDR. Hast Du diese politischen Schritte zur revolutionären Umgestaltung schon während Deiner Jugendzeit wahrnehmen können? Wie wurden diese Beschlüsse in Deinem Umfeld, bzw. in Deiner regionalen Jugendorganisation vermittelt?
W. Schleese: Von der 1. Parteikonferenz 1949 und der 2. Parteikonferenz der SED erfuhren wir hauptsächlich über die Tätigkeit in der FDJ. Wir sprachen damals sehr offen über Probleme beim verkündeten Aufbau des Sozialismus in der DDR. Zumal uns die industrielle Basis zu eng war und wir viele Reparationszahlungen an die Sowjetunion leisteten. Stalins Broschüre über Probleme beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR machte uns zudem klar, welch Aufbauwerk nötig ist, um sozialistische Verhältnisse zu festigen. Also nahmen wir uns damals vor, anständig zu lernen und als Lehrlinge im VEG Markee bei Nauen praktisch tüchtig zu arbeiten. Natürlich wußten wir auch, Westberlin war nicht weit, daß wir ständig vom Klassengegner unterhöhlt werden sollten. Und einige unserer Lehrlinge waren schon in Hitlers Truppen gewesen, als Jugendliche vorzeitig entlassen worden. Sie bestärkten uns in unserer Auffassung, daß man nun eine gerechtere und friedfertige Ordnung brauchte.
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Dein Bildungs- und Berufsweg in der DDR
KPD-Jugend: Für welchen Bildungsweg hast Du Dich nach der Polytechnischen Oberschule entschieden?
Ich besuchte damals die Zentralschule in Flatow bis zur 8. Klasse, arbeitete dann ein Jahr als Waldarbeiter, weil ich über Fachschulbesuch mit Abi Förster werden wollte. Das klappte nicht. Auch zu der Zeit hatten, wie Vater erzählte, die Kinder der Förster immer noch das Vorrecht, wieder Förster zu werden. Obwohl Vater inzwischen Brigadier einer Waldarbeitertruppe geworden war, einige Auszeichnungen hatte und eine tolle Forstuniform, lief da nichts.
KPD-Jugend: Wie sah Dein späterer Berufsweg aus? Wie wurdest Du in der Schule an die marxistisch-leninistische Wissenschaft herangeführt und wie ist man zu Deiner Zeit in den Lehrbüchern mit dem politischen Wirken und Hinweisen des Genossen Stalins umgegangen?
Also auf ins VEG Markee und Facharbeiter für Landwirtschaft. Dort hatten wir einen erfahrenen Direktor, der sich um die Lehrlinge besonders bemühte. So durften ich und andere schon einige Runden mit dem Mähdrescher „Stalinez“ fahren. Als ich damals als FDJ-Sekretär einen alten Trecker „Däutz“ entdeckte, wurde der von uns und Fachleuten fahrtüchtig gemacht und als Lehrlingstrecker eingesetzt. Die Lehrlinge kamen immer an die modernsten Landmaschinen, die wir erhielten. Im zweiten Lehrlingsjahr erhielt ich mit Zustimmung der FDJ und meines Direktors nach Aufnahmeprüfung die Zulassung zur Fachschule für Landwirtschaft. Erstes Jahr Angermünde – Abi – Ausbildung, zweites und drittes Jahr Bad Freienwalde Fachausbildung. Und dort äußerte ich mal, daß ich als staatlich geprüfter Landwirt eigentlich Mitglied der Demokratischen Bauernpartei werden mußte. Schon waren die Genossen der SED da und meinten, ich gehöre eigentlich zu ihnen, da ich mich auch immer in der FDJ engagiert hatte. Mein VEG-Direktor und der Parteisekretär bürgten für mich. So kam ich als Agronom in die LPG Kummerow, Kreis Angermünde und wurde dort auch später LPG-Mitglied. Kümmerow war ein Zentrum des Tabakaufbaus. Und die Kummerower verstanden es, ihr Dorf ständig zu verschönern. So bauten wir eine etwa 2 Kilometer lange schotterbefestigte Straße ins Dorf. Vordem war das ein Feldweg. Viele Einwohner, auch unser Pfarrer mit seinem gemeinsamen Kirchenrat, waren an Wochenenden zu Straßenbauarbeiten und vielen anderen Verschönerungen unterwegs. Unser Bürgermeister, Elektriker, brachte vieles in Ordnung. Eine kleine Baubrigade der LPG entstand, die mit Hilfe eines NVA-Einsatzes einen nagelneuen Abferkelstall baute. Ich berichtete regelmäßig in der Zeitung „Neuer Tag“ über den Fleiß der Kümmerower. Schließlich wurde über die Zeitung „Wochenpost“, die dann auch berichtete, der Nationalrat der Nationalen Front in Berlin aufmerksam. Kümmerow wurde von Friedrich Ebert, Oberbürgermeister von Berlin und Chef des Nationalrates als schönstes Dorf der DDR feierlich ausgezeichnet. Es erhielt eine große Fernsehtruhe für den Gemeinschaftsraum. Inzwischen war die Redaktion des „Neuen Tag“ auf mich aufmerksam geworden. Man suchte einen Redakteur, der von der Landwirtschaft was versteht. Also dann über einige Wochen in Lokalredaktionen zum „Neuen Tag“ nach Frankfurt (Oder). Zwischenzeitlich drei Jahre zu den Grenztruppen nach Ilsenburg im Harz, als Funkmechaniker vordem ausgebildet. Entlassen als Unterfeldwebel. Zurück nach Frankfurt (Oder) und zwei Jahre Fernstudium an der Fachschule für Journalistik Leipzig. Danach Abteilungsleiter Politik in der Redaktion. Dann drei Jahre Studium an der Parteihochschule Karl Marx der SED in Berlin. Dann Chef vom Dienst in der Redaktion. Natürlich hatten wir auf der Parteihochschule Marx, Engels, Lenin im Original studiert und, man mag es nicht glauben, selbstverständlich vieles von Stalin gelesen und auch diskutiert, sogar einiges von Trotzki. Nach zwei Hüftoperationen und Wirbelsäulenschäden gab ich die Redaktionsarbeit auf ärztliches Anraten auf. Ich ging zunächst ins Kraftwerk Finkenheerd und baute dort und in den Kraftwerken Eisenhüttenstadt und Eberswalde-Finow die Zivilverteidigung aus. Das hatten wir bei einigen langen und strengen Wintern mehrmaligen Überschwemmungen in Finkenheerd und einer nötigen Sprengung eines 60-Meter-Schornsteins auch nötig. In solchen Zeiten wurde stabsmäßig gearbeitet und die Elektro- und Fernwärmeproduktion stets gesichert. Natürlich schrieb ich für die Betriebszeitung, zigmal stellte ich sie für unser Energiekombinat fertig. Deshalb dann Öffentlichkeitsarbeiter im Büro unseres Generaldirektors bis zum vorzeitig erzwungenen Ruhestand durch die Vereinigungsstrategie des Westens.
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Fragen zu historischen Ereignissen aus Deinem Blickwinkel
KPD-Jugend: Wie hast Du 1953 über den Tod des Genossen Stalin erfahren und wie waren die Reaktionen in der Bevölkerung?
W. Schleese: Vom Tod Stalins erfuhr ich bei einem FDJ-Lehrgang für Landwirtschaft in Sachsen. Es wurde eine kurze Gedenkveranstaltung abgehalten und besonders auf Stalins Schrift Probleme beim Aufbau des Sozialismus in der UdSSR verwiesen. Uns wurden die riesigen Probleme in dem einst rückständigen Land mit einer nur in wenigen Zentren organisierten Arbeiterklasse bewußt. Uns wurde auch bewußt, daß Stalin gezwungen war, die Verwaltung und auch den Geheimdienst mit vielen Leuten aus dem Klein- und Mittelbürgertum aufzubauen. Schließlich hatte er über Jahre mit feindlichen Armeeeinheiten aus dem In- und Ausland zu tun. Ich glaube, Genosse Ludo Martens, Generalsekretär der Belgischen Kommunistischen Partei, hat in seinem Buch „Stalin anders betrachtet“ sehr detailliert berichtet und viele Unwahrheiten widerlegt. Walter Ulbricht meinte nur, Stalin sei kein Theoretiker des Marxismus-Leninismus gewesen. Das maßte der sich auch gar nicht an. Und dafür hatte er auch keine Zeit. In der Bevölkerung gab es meiner Meinung, wie auch in der SED, sehr unterschiedliche Reaktionen. Das war vor allem, weil viele Stalins Wirken für den Sieg über den Faschismus nicht verinnerlicht hatten.
KPD-Jugend: Wie hast Du den gescheiterten Versuch eines konterrevolutionären Putsches in der DDR 1953 wahrgenommen?
W. Schleese: Den gescheiterten Putsch 1953 habe ich als Lehrling im VEG Markee wahrgenommen. Wir von der FDJ, die VEG-Leitung und die Gewerkschaft verteidigten unser Volkseigentum, bis die Sache vorbei war. Tag und Nacht wurden von uns die Ställe, die Werkstätten und die Maschinen bewacht. Sogar unsere Luftgewehre- und Pistolen holten wir nachts heraus. Irgendwie hatten wir wohl alle begriffen, daß es um die Existenz der DDR ging. Zuvor hatten auch wir zeitweilig mit dieser irrsinnigen Normenfischerei, die ein Bürokratiemonster wurde, zu tun. Aber hier ging es ums Volkseigentum und um die Macht der politischen Führung.
KPD-Jugend: Gab es in Deinem Umfeld Diskussionen zu den Beschlüssen des XX. Parteitages der KPdSU 1956?
W. Schleese: Natürlich gab es in der Partei und über sie hinaus viele Diskussionen zum XX. Parteitag der KPdSU. Allein die Tatsache, daß Chruschtschow bei seiner sogenannten Geheimrede die Bruderparteien ausschloß und diese Rede, nicht abgestimmt in der Parteiführung, schon vordem im Westen bekannt war, rief Empörung hervor. Und inhaltlich ging es vor allem darum, daß Chruschtschow die Zeit der inneren und äußeren Konterrevolution mit der es Stalin zu tun hatte, nie begriffen hat. Kurz, es handelte sich um einen großen Vorstoß des Revisionismus mit konterrevolutionärem Charakter. Die Parteiführung der SED zog es, angesichts des Kalten Krieges aus dem Westen allerdings vor, ihre Meinung nur in abgestimmten Versammlungen zu verbreiten. Insgesamt trug die Amtszeit Chruschtschows wesentlich zur Schwächung des Sozialismus bei.
KPD-Jugend: Wie beurteiltest Du 1961 die Grenzsicherungsmaßnahmen? Warst Du daran selber beteiligt?
W. Schleese: Die Grenzsicherungsmaßnahmen erlebte ich persönlich als Urlaubsvertretung in Bernau. Plötzlich waren fast die Hälfte der Kreiseinwohner, die alle für Westgeld in Westberlin gearbeitet hatten, arbeitslos. Man konnte nachweisen, daß der Aufbau in Westberlin fast zur Hälfte von DDR-Bürgern geleistet wurde. Nach Umtausch in DDR-Mark hatten die alle viel Geld. Damit konnte die Warendecke der DDR nicht mithalten. Mir ist ein Maurer bekannt, der drei Jahre in Westberlin werkelte und so viel Geld hatte, daß er sich in der DDR ein Einfamilienhaus kaufen konnte. Wirtschaftlich und politisch wäre die DDR damals ohne die Grenzsicherung ganz schnell untergegangen.
KPD-Jugend: Wie hast Du nach dem XX. Parteitag das Zerwürfnis der KPdSU mit der KP Chinas wahrgenommen? Wie schätzt Du im Rückblick das politische Wirken Mao Tse Tungs ein?
W. Schleese: Das Zerwürfnis KPdSU — KP Chinas wurde in der DDR, auch in unserer Redaktion negativ bewertet, auch weil einer von uns mit einer Journalistendelegation in China weilte. Wir erinnerten uns an Lenin, der in seinem Brief an die ungarischen Arbeiter betont hatte, daß jede Nation beim Aufbau des Sozialismus entsprechend ihre Spezifik die eigenen günstigen Wege suchen müsse. Die Chinesen gingen ihre Wege, irrten dabei in der Spätzeit Maos gewaltig, waren aber in der Lage aus Fehlern zu lernen, ohne das sogenannte sowjetische Modell zu kopieren. Lustig war, daß die SED mit Mao auf die Idee kam, daß ihre Journalisten und Mitarbeiter mal für 4 Wochen in der Produktion arbeiten müßten, um Kontakt mit Arbeitern und Bauern zu bekommen. Natürlich gingen erst die „Kleinen“. Nach 2 Monaten war der Spuk vorbei. Wer wirklich wissen will, wie Industrie und Landwirtschaft funktionieren, was Werktätige denken und vorschlagen, muß schon ständigen Kontakt zu ihnen halten. Gerade das wurde in der DDR, beginnend beim Politbüro nicht vernünftig organisiert. Man ist aber nur eine Arbeiterpartei, wenn man ständig in der Arbeiterklasse wirkt.
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Kulturelle Fragen (Freizeitaktivitäten, Medien, Sport usw. usf.)
KPD-Jugend: Was hast Du in der DDR für einen Sport ausgeübt und wie viel bezahlte man für seinen Sport?
W. Schleese: Sport im Verein war für Journalisten aus Zeitgründen nicht möglich. Ich hatte allerdings Jahresfußballkarten für den VC Vorwärts Ffo., den Armeesportclub.
KPD-Jugend: Welche Zeitungen hast Du in der DDR gelesen? Wie gut hat Dich die Tageszeitung Neues Deutschland über das reale Geschehen, die Klassenverhältnisse, usw. informiert?
Natürlich las ich das ND. Wir meinten, daß wir mit unserer Zeitung insgesamt kritischer waren, mehr Probleme aufgriffen und zu Veränderungen beitrugen. So trug ich z.B. dazu bei, Kalkstaubverletzungen im Zementwerk Rüdersdorf zu minimieren. Außerdem organisierten wir mit dem Bezirksstaatsanwalt und dem Bezirksgericht in den Räumen unserer Redaktion eine Rechtssprechstunde. Die Bürger konnten hier vorbringen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlten. Staatsanwälte und Richte sorgten für Änderungen. Nach meiner Auffassung litt das ND immer viel zu stark unter den Bedingungen im „Kalten Krieg“, nach dem Motto nur dem Klassengegner keine Munition liefern, er schießt schon genug.
KPD-Jugend: Wie beurteilst Du die Sendung Der schwarze Kanal? Hast Du diese Sendung regelmäßig geschaut?
W. Schleese: Karl-Eduard von Schnitzler und „Schwarzen Kanal“ fand ich meist gut. Er mühte sich, das war seine Aufgabe, sozusagen mit gleicher Münze zurück zu schießen. Außerdem unterstützte er uns bei Wiedergründung der KPD, fuhr mit uns zu mehreren internationalen Konferenzen der Partei der Arbeit Belgiens in Brüssel. Formulierte mit an der Todesnachricht für Erich Honecker und hielt viele Verbindungen.
KPD-Jugend: Wie verbrachtest Du in der DDR Deine Freizeit? Was für Hobbys hattest Du und wie gut konntest Du ihnen in der DDR nachgehen?
W. Schleese: Freizeit wurde viel fürs Lesen verwendet und für Fahrten mit der Familie, natürlich auch, um unsere alte Wartburg am Laufen zu halten.
KPD-Jugend: Kannst Du uns an Deinem Beispiel den Wahlprozess in der DDR erklären? Ab wann begann vor der eigentlichen Wahl der Wahlprozess und wie verlief die Kandidatenauswahl genau ab?
W. Schleese: Wahlprozesse begannen in der DDR Wochen zuvor. Arbeitskollektive und Organisationen aufgefordert Kandidaten zu benennen, auch Parteien. Diese Kandidaten stellten sich in ihren Kollektiven und Betrieben vor. Als ich in Kümmerow von der FDJ für die Gemeindevertretung vorgeschlagen wurde, trat ich danach z.B. in einer Einwohnerversammlung auf und sagte meine Meinung. Die Sache war insgesamt so gedacht, daß die Wähler vor der Wahl die Kandidaten näher kennenlernen sollten und wußten, wofür sie sich einsetzten. Ich erlebte z.B. Verteidigungsminister Heinz Hoffmann bei einer Vorstellung in einem NVA-Betrieb in Bernau. Produktionsbesichtigung, kurze Gespräche mit den Frauen, danach Zusammenkunft. Die Frauen bemängelten den Arbeitsbeginn wegen Kindergarten und Schule. Und sie schlugen vor, ein geeignetes leerstehendes Gebäude zum Kindergarten auszubauen. Der Volkskammerabgeordnete Generaloberst Heinz Hoffmann wurde tätig. Die Arbeitszeit wurde verändert, der Kindergarten gebaut.
KPD-Jugend: Wie hast Du in der SED seit ihrer Gründung mitgewirkt? An welchen Versammlungen der SED hast Du teilgenommen? Welche Diskussionen wurden zum Beispiel geführt?
W. Schleese: Ich habe mich in der SED immer um ständige Mitwirkung bemüht. In Kümmerow an der Dorfverschönerung. Sogar unseren Lehrer habe ich als LPG-Chronom, als er plötzlich mehrmals erkrankte, einige Tage vertreten. Erst die Arbeitseinteilung in der LPG, dann einige Stunden für die erste bis 3. Klasse in der Grundschule, dazu wieder auf die Felder. In der Redaktion Mitwirkung an vielen Diskussionen zur Verbesserung der Arbeit und zu zentralen Beschlüssen der SED. Oft begleitete ich als Journalist den 1. Sekretär der Bezirksleitung, den Landwirtschaftssekretär und den Propagandasekretär. Das fast immer zunächst direkt an die Arbeitsplätze der Werktätigen und dann zu gemeinsamen Beratungen mit ihnen. So z.B. als es in Biesenthal darum ging, die Produktion von Möbelfolie zu erneuern.
KPD-Jugend: Die FDJ war mit eigenen Sitzen in der Volkskammer vertreten. Wie viel Einfluss hatte die Jugend über die FDJ auf die Politik?
W. Schleese: Ich denke die FDJ in der Volkskammer hatte guten Einfluß auf die Jugendpolitik, sowohl auf das Lernen in Schulen und Unis wie auf die Arbeit und Freizeitgestaltung.
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Konterrevolution
KPD-Jugend: Wie hast Du die Konterrevolution erlebt? Welches Ereignis war für Dich der Ausgangspunkt?
W. Schleese: Die Konterrevolution erlebte ich, als ich von meinem Generaldirektor zur Volkspolizeiberatung zu Fragen der Sicherheit geschickt wurde und viele Funktionäre aus Stadt und Bezirk traf. Dort war klar, daß es mit der DDR zu Ende geht. Ich erlebte sie auch, als unsere Kampfgruppe ihre Ausrüstung aufgab und aufgelöst wurde, was mich veranlaßte, aus der SED, zu deren Kombinatsleitung ich gehörte, auszutreten. Schließlich erlebte ich sie beim Auftritt von Helmut Kohl in Frankfurt. Auf das Gelände vor seiner Bühne wurden nur ausgesuchte Leute gelassen. Wir anderen von SED-PDS, KPD und normale Bürger blieben außen vor mit roten Fahnen und Sprüchen gegen Kohl, der uns goldene Zeiten voraussagte. Auch im Kombinat gab es viele Erlebnisse. Für einige Tage mußte ich es sogar leiten, als unsere Oberen zu, vereinnahmenden Konzern nach Hannover befohlen wurden. Sowie die Sache mit dem Vorruhestand lief, wurden ich und viele Andere sofort dahin entlassen. Herr Gorbatschow hatte nun mal bei seinem Treffen in der SU mit Kohl die DDR endgültig verraten.
KPD-Jugend: Wie beurteilst Du das gemeinsame Papier der SED und SPD von 1987: „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“?
W. Schleese: Das Dokument der SED und der SPD von 1987 war von SED-Seite blanker Revisionismus, allein deshalb, weil man dem Imperialismus Friedensfähigkeit und vorteilhafte Zusammenarbeit bescheinigte. Die vorherige Wertäußerung von Verändern durch Annäherung hätte stutzig machen müssen. Teilweise fielen auch die Medien der DDR auf den konterrevolutionären Kurs herein.
KPD-Jugend: Was waren nach Deinem Erleben die wesentlichen Ursachen für die Konterrevolution?
W. Schleese: Natürlich hatte, das war nur klar, bei allen Problemen der Zusammenarbeit die DDR ohne Unterstützung durch die Sowjetunion keine Perspektive. Die Ursachen für die Konterevolution kamen also von Außen und durch Revisionismus von Innen. Sie fanden auch Nahrung durch Versäumnisse bei der Versorgung der Bevölkerung, dadurch z.B., daß man auf einen Trabant 13 Jahre warten mußte usw., ganz einfach dadurch daß wir weder in der Arbeitsproduktivität noch in modernen Technologien dem Westen gewachsen waren. Ein Kardinalfehler war z.B., daß Leute die irgendwie zu Westgeld kamen, in speziellen Läden einkaufen durften. Das spaltete die Arbeiterklasse und die Gesellschaft, wie vor allem die Tatsache, daß die Medien der DDR ihre wirklichen Probleme nicht nannten oder sie mit Wettbewerbserfolgen einzelner Betriebe und LPG verdeckte.
KPD-Jugend: Was hat sich für die Jugend durch die Konterrevolution verändert?
W. Schleese: Die Jugend kam, wie alle, ganz einfach in den Kapitalismus. Viele gingen in den Westen, um Lehre und Arbeit zu haben. Frankfurt (Oder) verlor z.B. innerhalb von zwei Jahren ca. 20.000 Einwohner.
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Wiedergründung der KPD 1990
KPD-Jugend: War bei der Wiedergründung der KPD 1990 den Genossen der gegenwärtige konterrevolutionäre Prozess klar? Oder hatte man noch Hoffnungen auf einen Umschwung gesetzt? Wie wurde zur Zeit der KPD-Wiedergründung 1990 innerhalb der KPD die Niederlage des sozialistischen Weltsystems analysiert?
W. Schleese: Der Wiedergründung der KPD ging ihre Erkenntnis voraus, daß der Imperialismus gesiegt hatte. Die Treuhand hatte das gesamte Volksvermögen der DDR kapitalisiert. Vor dem sogenannten Sonderparteitag der SED, als Her Gysi den großen Besen zur Austreibung des Marxismus-Leninismus schwang, hatten viele von uns vorher mit einigen Delegierten gesprochen. Wir hatten ihnen die Trennung von Kommunisten und Sozialdemokraten vorgeschlagen und die Konstituierung einer KP auf dem Parteitag. Dazu gab es dort auch einige Zusammenkünfte. Aber es kam nicht zur Spaltung. Konsequenzen erläuterte ein Oberster Staatsanwalt aus dem Westen, der später Generalbundesanwalt wurde. Wir erhoben nämlich nach unserer Wiedergründung Anspruch auf das Karl-Liebknecht-Haus, dem jetzigen Linken-Sitz in Berlin. Der Anwalt erklärte uns klipp und klar, daß bei einer Spaltung der SED wir Anspruch auf das Karl-Liebknecht-Haus und weitere Güter der Thälmannschen KPD gehabt hätten. Die Gründung der KPD als Wiedergründung wurde von der Volkskammer der DDR und dessen Vorsitzenden Dr. Maleuda (DBD) bestätigt. Mit dem Einigungsvertrag wurden alle DDR-Parteien, darunter viele Neugründungen, die Betätigung in ganz Deutschland bestätigt. Der Weg zur Neugründung der KPD verlief, wie anderenorts auch, nicht konfliktfrei. In den ersten zwei Jahren hatten wir drei Vorsitzende. Einer ging arbeiten zum Berliner Senat und war einfach weg. Eine Andere ließ nichts mehr von sich hören, einfach weggezogen. Ein Dritter, der in Dresden in SED-PDS für den Landtag kandidiert hatte, ließ sich überreden großer Autoverkäufer zu werden und kam dann mit Mercedes. Trotzdem gab es KPD-Gruppen in allen ehemaligen Bezirksstädten der DDR, in einigen Kreisstädten und wenigen Dörfern des Oderbruchs. Die KPD nahm an der bürgerlichen Wahl 1990 teil. Eines unserer Plakate, von den tschechischen Kommunisten geklaut, zeigte einen großen Apfel. Und wir schrieben: Wählt uns, damit ihr morgen noch richtig zubeißen könnt. Natürlich versuchten wir mit relativ wenigen Zuhörern Versammlungen, spürten jedoch an jeder Ecke den zunehmenden Antikommunismus. Von Anbeginn traten wir für die Vereinigung der Kommunisten in einer größeren KP ein. Wir nahmen an mehreren Parteitagen der DKP teil, auch an Präsidiumssitzungen. Mit der DKP gab es sogar eine gemeinsame Liste zur Europawahl, die dann aber von der DKP gekündigt wurde zu Gunsten der SED-PDS. Wir übten Einfluß auf Mitglieder der SED-PDS aus, was deren Parteioberen veranlaßte schnell in der Partei eine Kommunistische Plattform zuzulassen. Im Übrigen wurden in vielen Städten Mitglieder von uns veranlaßt, durch Funktionäre der SED-PDS, wieder in ihre Reihen zurückzukehren. Uns war klar, daß die KPD unter diesen Bedingungen keine Aussicht hatte, irgendwie besonders groß und einflussreich zu werden. Sie blieb, wenn man so will, eine Kaderpartei, die dann erst einen Einfluß gewinnt, wenn die Zersplitterung der deutschen Kommunisten in mehrere Parteien und Gruppierungen überwunden wird. Bei vielen Veranstaltungen und Begegnungen traten wir dafür ein. Wenn man so will, brauchen wir in der sich zuspitzenden Krise des Imperialismus einen Weckruf, wie ihn Liebknecht und Luxemburg zur rechten Zeit vollbrachten. Unsere Partei nahm an mehreren internationalen Konferenzen bei der Partei der Arbeit Belgiens in Brüssel teil. Gemeinsam mit Karl-Eduard von Schnitzler und Wissenschaftlern, die gegen den Revisionismus ankämpften. Dort wurde die Niederlage des sozialistischen Weltsystems als die Größte in der bisherigen Geschichte für die internationale Arbeiterklasse bezeichnet. Über Brüssel bekamen wir viele Kontakte zu kommunistischen Parteien anderer Länder. So waren wir mehrmals in Prag, in Belgrad nach dem deutschen und NATO-Angriff, in Madrid, in Paris, in London, in Göteborg, in Moskau. Den Genossen in Belgrad überbrachten wir eine LKW-Ladung medizinischer Hilfsgüter für die Verwundeten. In Paris hatten die Genossen der KP ein Solikommitee für Erich Honecker gebildet. Und uns eingeladen. Mit der polnischen Partei hielten wir Kontakt über Prof. Wiktor aus Wroclaw. Mit den Genossen der KDVR lief die Zusammenarbeit über die Berliner Botschaft, mit der KP Chinas ebenso. Besonders in Brüssel, Prag und Pjöngjang traten wir für die Neugründung einer Kommunistischen Internationale ein, zumindest aber für die weltweite Ausdehnung der internationalen Zusammenarbeit.
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Deine Besuche in Moabit bei den Genossen Erich Honecker und Erich Mielke
KPD-Jugend: Der Genosse Erich Honecker trat 1992 unserer Partei bei. Kannst Du uns die Diskussionen mit ihm darüber schildern und wie die Aufnahme genau verlaufen ist?
W. Schleese: Erich Honecker wurde per telefonischer Zustimmung der Mitglieder des ZK in die KPD aufgenommen. Sein Mitgliedsbuch blieb zunächst bei uns.
KPD-Jugend: Wie kam es zu Besuchen und zum Kontakt mit diesen Genossen?
Nach Zustimmung des anklagenden Westrichters besuchte ich ihn in Moabit. Vordem hatten wir Erich Honecker und Erich Mielke bereits mit Schreibmaterial und Fernsehern versorgt. Ich mußte im Flur in Moabit noch warten, da sein Anwalt Dr. Wolf noch bei ihm war. Dann wurde, begleitet von zwei Krankenschwestern Erich Mielke die Treppe runter geführt. Ich ging sofort auf ihn zu. Er hatte im Waschraum von Erich Honecker erfahren, daß ich komme.
KPD-Jugend: Worüber hast Du mit den Genossen im Gefängnis gesprochen und diskutiert?
Erich Mielke versicherte mir, daß er standhaft bleiben werde. Nichts werde verraten, dem Klassengegner keine Munition geliefert. In diesem Schauprozeß lieferte er und Erich Honecker dem Klassengegner keine Schau. Dann kamen zwei Polizisten herein und führten ihn über den Hof ins Gericht. Später, als Erich Mielke mit Freispruch entlassen wurde, kümmerte sich viele Monate eine Genossin von uns aus Berlin um die Familie und gab Hilfe im Haushalt. Erich Honecker empfing mich in einer Umkleidezelle mit Tisch, 2 Stühlen. An der Tür postierte sich ein älterer Polizist. Wir sprachen etwa eine Stunde und überzogen die Zeit mit Zustimmung des Polizisten. Vor allem ging es zunächst darum, wie wir ihn schnell aus dem Knast bekämen. Dr. Wolff hatte vordem gute Andeutungen gemacht. Wir hatten Kontakt zu Genossen der SEW in Westberlin, die sich vorbereiteten, ihn nach Chile zu begleiten. Im Mittelpunkt stand dann die Broschüre, an deren Fertigstellung Erich Honecker arbeitete, sozusagen seine letzte schriftliche Stellungnahme. Dabei wurde er von seinem Schwager Manfred Feist, dem Bruder Margots, unterstützt. Wir sprachen u.a. darüber, daß die SED, immer abhängig von der KPdSU, in letzter Zeit zu wenig direkten Kontakt zur Arbeiterklasse der DDR hatte, daß man ihre Probleme verheimlichte, wo offene Worte und Veränderungen nötig gewesen wären. Erich Honecker sagte mir, daß es zeitweilig große Schwierigkeiten, mit der Zusammenarbeit im RGW gab. Er stritt sich manchen Tags z.B. zwei bis dreimal mit dem sowjetischen Botschafter Abrassimow herum, der sich nach wie vor als hoher Kommissar aufspielte. Zu wenig Beachtung fand auch die ständige ideologische Hetze des Westens, die durch die Westreisen der Rentner noch verstärkt wurde. Trotz alledem war die DDR im sozialistischen Lager gemeinsam mit der Tschechoslowakei das weit entwickelteste Land, auf einigen Strecken der SU überlegen. Ohne den Verrat Gorbatschows wäre es möglich gewesen, die aufgestauten Probleme nach und nach zu lösen, und zwar in ehrlicher und konstruktiver Zusammenarbeit mit der Arbeiterklasse und der Wissenschaft. Davon waren wir beide überzeugt. Unsere Partei begleitete die Abreise Erich Honeckers nach Chile. Wir warteten einige Stunden auf dem Flughafen Tegel. Gegen Abend brachten die Genossen der SEW Honeckers Koffer per Auto. Ich und andere brachten sie zur Abfertigung. In Absprache mit den westlichen Sicherheitsorganen wurde Erich Honecker bei Dunkelheit zum Flugzeug gebracht. Man wollte offenbar vermeiden, daß Presse, Funk, Fernsehen diesen Abflug irgendwie begleiten, Lediglich ein Privatsender wollte schon nachmittags unsere Meinung wissen. Später hielten wir telefonischen und brieflichen Kontakt zu Erich Honecker. Als er bereits in Chile war, stellte sich heraus, daß seine tragfähigsten Schuhe und Anderes im Gefängnis geblieben waren. Sein Schwager Manfred Feist übergab mir diesen Beutel. In Frankfurt wohnte eine deutsch-chilenische Familie mit zwei Schulkindern. Manfred wußte, daß Frau und Kinder zur Familie Almeida fliegen. Also kam Erich Honecker über diese Reise doch noch zu seinen besten Schuhen. Im Übrigen waren damals die Genossen der SEW und der KPD wohl diejenigen, die sich wirklich um Honecker und Mielke kümmerten. Übrigens: Als der Richter im Prozeß Erich Honecker. einen Vorwurf daraus machte, daß der ja sogar im Knast in Moabit der wiedergegründeten KPD beigetreten sei, antwortete Erich Honecker: Ich weiß nicht was Sie dachten. Ich setze nur meine kommunistische Parteizugehörigkeit fort.
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Deine Reise in die DVRK nach der Konterrevolution
KPD-Jugend: Wie kam es dazu, dass Ihr als KPD-Delegation in die DVRK reisen konntet?
W. Schleese: In die DVRK wurden wir über die Berliner Botschaft ganz offiziell vom Zentralkomitee der Partei der Arbeit Koreas eingeladen. Im ZK interessierte man sich vor allem, Fakten und Wertungen der Konterrevolution gegen und in der DDR zu erfahren. Wir warnten die Genossen eindringlich vor imperialistischen Zusagen und revisionistischer Einflußnahme. Die DDR-Volkskammer hatte laut Verfassung kein Recht, sich für die sogenannte deutsche Einheit und den von Bonn aus diktierten Vertrag auszusprechen. Das war ganz einfach Verrat am DDR-Volk. Den Koreanern dankten wir für ihre Kontakte zu vielen KP über ihre Botschaften. Wir forderten sie auf, sich auf diesen Wege für die Neuorganisation der Kommunistischen Internationale einzusetzen.
KPD-Jugend: Wie war die Reise in das sozialistische Korea? Was hat Dir besonders gefallen? Konntest Du sozialistische Betriebe besuchen?
W. Schleese: Bei vielen Fahrten durch das Land und vielen Gesprächen mit Nordkoreanern fiel sofort ein unbändiger Haß dieses Volkes gegen den USA-Imperialismus ins Auge. Junge wie Alte erinnerten sich der amerikanischen Luft- und Bodenangriffe, des Abwurfs von Chemikalien auf Wälder und Felder schon vor dem Vietnam-Krieg, der Zerstörung der Hauptstadt und vieler Dörfer. Sie erinnerten sich aber auch daran, daß tausende chinesische Freiwillige mitkämpften und die SU Militärtechnik lieferte. Für dieses Volk ist es Ehrensache, sich militärisch zu bilden. Wir besuchten z.B. den Obersten Buddhisten des Landes in seinem uralten von einem Park umgebendem Kloster. Er bezichtete uns, daß Buddhisten vom glauben her zu den friedlichsten und naturverbundenen Menschen gehören. Im Prinzip können sie keiner Fliege weh tun. Als aber die Amerikaner angriffen, meldeten sich etwa 500 Priester, ließen sich ganz kurz militärisch schulen und griffen an vorderster Front mit an. Keiner von ihnen überlebte. Direkt an der Grenze zu Südkorea durfte ich in der kleinen Grenzbaracke dort Platz nehmen, wo sonst die Amerikaner oder Südkoreaner mit der DVRK verhandelten. Sofort wurde ich von einem Südkoreaner durch ein Fenster gefilmt. Als wir die Baracke direkt auf dem Grenzstreifen verließen, waren etwa 100 m entfernt einige amerikanische Kongressabgeordnete aufgezogen, die uns mit giftigen Blicken betrachteten und einige Flüche hinterherschickten. In einer anderen Baracke zeigte man uns, wie von Kim Il Sung den Amerikanern, die Nordkoreaner standen militärisch kurz vor Seoul, der südlichen Hauptstadt, der vorläufige Waffenstillstandsvertrag erzwungen wurde.
KPD-Jugend: Dem Genossen Erich Honecker fiel während seiner Reise in die DVRK 1977 die besondere Fürsorge des sozialistischen Koreas für Kinder auf. Er berichtet davon in seiner Autobiografie „Erich Honecker – Aus meinem Leben“. Kannst Du diese Erfahrung bestätigen?
W. Schleese: Natürlich waren wir Gäste in Kindergärten und Schulen. Und wir können Erich Honeckers Eindruck, daß im Lande besonders viel für die Kinder getan wird, bestätigen. In einem Kindergarten mußte ich ein deutsches Volkslied vorlesen und singen. Besonders beeindruckend war der Besuch im großen Kinderzentrum in der Hauptstadt. Schon zu unserer Zeit gab es dort neben Unmengen Spielzeug die ersten Computer.
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Was soll der Jugend unbedingt mit auf dem Weg gegeben werden
KPD-Jugend: Welche Fehler beim revolutionären Aufbau des Sozialismus dürfen wir nicht wiederholen?
W. Schleese: Was soll man jüngeren Genossen raten. Vor allem, da das gesellschaftlich nicht passiert, nach einer gewissen Systematik Grundfragen des Marxismus-Leninismus zu lesen. Z.B. nach den Vorgaben unserer ideologischen Kommission. Auch die Teilnahme am Fernstudium in Hannover1 ist zu empfehlen, wie auch das Abo der „Jungen Welt“. Über Fehler beim Aufbau des Sozialismus habe ich geschrieben.
KPD-Jugend: Vor welchen Fehlern müssen sich junge Genossen besonders hüten?
W. Schleese: Unsere Jüngeren sollten natürlich bei Kundgebungen und Demos den Alten vorangehen. Hüten müssen wir uns davor, von allen Linken, die gegen das System sind, zu erwarten, daß sie in allen Fragen so denken wie wir. Das wird z.B. bei den Veranstaltungen des „RotFuchs“ deutlich, wo zuweilen mit Für und Wider diskutiert wird. Sie sind für die Meinungsbildung und die Aktivitäten der Jüngeren sehr zu empfehlen, da es meist um aktuelle politische Probleme geht und ihe versuchte Wertung aus der Sicht der Arbeiterklasse. Gerade in dieser Zeit, in der der Imperialismus gegen seine vielen Krisen kämpfen muß und für seine Ausdehnung zwecks Erhaltung ist Gesprächsbereitschaft der Kommunisten und Sozialisten mit Arbeitern und Angestellten besonders wichtig, um auf die Ursachen zu kommen.
KPD-Jugend: Was möchtest Du der kommunistischen Jugend noch mitteilen?
W. Schleese: Und noch eins zum Schluß: Kommunisten und Linke insgesamt haben sich auf einen verdammt längeren Weg bis zum politischen Sieg im Klassenkampf einzustellen, vielleicht über einige Generationen hinweg. Erst, nach Lenin, wenn die alte Ordnung absolut nicht mehr kann und die Arbeiter und ihre Verbündeten das nicht mehr ertragen wollen, wird es Zeit für Revolution und den schrittweisen Aufbau des Sozialismus.
1 Gemeint ist das ML-Fermstudium von KPD und offen-siv, welches vor kurzem seinen Standpunkt von Hannover nach Könnern wechselte.