Weblinks  

   

Eine geschichtlich bedeutsame Tat

Details

Buchenwald war das einzige deutsche Konzentrationslager, dessen Insassen sich selbst befreiten, als die Stunde dieser geschichtlich bedeutsamen Tat gekommen war!

Rede von Brigitte Dornheim

Die Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge ist durch eine ganze Reihe von Dokumenten belegt. Die wichtigste Dokumentation unter dem Titel „Buchenwald – ein Konzentrationslager“ wurde von den ehemaligen Häftlingen Emil Carlebach, Willy Schmidt, Paul Grünewald, Hellmut Röder und Walter Vielhauer zusammengestellt.

Das Kapitel „Die Selbstbefreiung“ belegt, dass diese mit passivem Widerstand, das heißt mit einer Kampfansage des ILK, des Illegalen Lagerkomitees, an die schwerbewaffnete SS ihren Anfang nahm.

Dieser passive Widerstand begann am 4. April 1945, als in einer organisierten Aktion die jüdischen Häftlinge, von denen sich rund 6.000 im Lager befanden, versteckt wurden. Die Lagerführung hatte jene Häftlinge auf den Appellplatz befohlen, um sie von dort aus zu evakuieren und damit dem sichern Tod auszuliefern. Der damalige Lagerälteste, der Trierer Kommunist Hans Eiden, der 1946 seine Erfahrungen in dem Buch „Eh‘ die Sonne lacht“ niederschrieb, erklärte „Wir liefern die Juden nicht ans Messer, sie treten nicht an.“

An jenem Tag war von Erfurt her schon der Kanonendonner der US-Armee zu hören und die SS demzufolge sehr nervös. Die Nervosität resultierte auch aus der Tatsache, dass sie nicht wusste, wie sie den Befehl Himmlers, die Häftlinge zu evakuieren, zu liquidieren, umsetzen sollten. Der Blockälteste eines sogenannten Judenblocks, der Kommunist Emil Carlebach forderte die Häftlinge seines Blocks auf, die Judensterne von den Zebra-Jacken zu reißen. So konnte letztendlich über 4000 jüdischen Kameraden das Leben gerettet werden.

Aus der Kampfansage an die SS, deren Zahl in jenen Apriltagen von 2000 Mann auf ca. 3000 erhöht worden war, wurde am 6. April 1945 eine offene Kriegserklärung

Die SS-Lagerführung verlangte, dass 46 politische Häftlinge, von denen sie glaubte, sie seien der politische Kopf des Widerstandes, am Lagertor antreten sollten, um sie zu liquidieren. Die 46 waren von einem Gestapo-Agenten denunziert worden. Das Internationale Lagerkomitee, an dessen Spitze der deutsche Kommunist Walter Bartel stand, beschloss: „Die aufgerufenen Häftlinge stehen unter dem Schutz des ILK und werden im Lager versteckt!“ Auch diese Aktion war erfolgreich.

In den folgenden Tagen gelang es, durch die vielseitige solidarische Hilfe der Häftlinge und die Wirksamkeit der illegalen antifaschistischen Organisationen, mit dem ILK an der Spitze, erneute Evakuierungen zu verhindern und damit weiteren Häftlingen das Leben zu retten.

Am 11. April 1945 war im Lager die Annäherung der amerikanischen Panzerspitzen deutlich wahrnehmbar. Auf Weisung des ILK erteilte der Leiter der IMO, der Internationalen Militärorganisation, den Befehl zum Angriff auf die SS. Blitzartig stießen daraufhin die vier vorher gebildeten Kampfgruppen gegen die Türme und die gesamte Lagerumzäunung vor. Die Postentürme wurden besetzt. Mit den dort erbeuteten Waffen erweiterten die Häftlinge das in einem langen Zeitraum angelegte Waffenarsenal der IMO. Die sonst so schießwütigen SS-Schergen setzten angesichts des wuchtig und gut organisiert geführten Angriffs den Kampfgruppen der Häftlinge wenig Widerstand entgegen. Insgesamt wurden 220 SS-Leute gefangengenommen und später den US-Amerikanern übergeben. Ein Teil der SS-Bewacher war im Kampf gefallen, die große Mehrzahl, darunter die Lagerführung hatte die Flucht ergriffen.

Um 15.15 Uhr flatterte die weiße Fahne auf dem Turm 1 von Buchenwald. Der Lagerälteste Hans Eiden sagte durchs Mikrofon: „Kameraden, wir sind frei! Die Faschisten sind geflohen. Das Internationale Lagerkomitee hat die Macht übernommen. Wir fordern Euch auf, Ruhe und Ordnung zu bewahren.“

Die Gewalt der SS war im Konzentrationslager Buchenwald durch die mutige Tat antifaschistischer Kämpfer aller Nationalitäten gebrochen worden Die verbliebenen 21.000 Lagerinsassen waren gerettet, waren frei.

In der Nacht zum 12. April 1945 erschien ein zu einer Panzerspitze gehörender US-amerikanischer Offizier im Lager. Er begab sich zur Leitung der Kampforganisation, informierte über die Lage an der Front und legte zusammen mit dem ILK eine Sicherungslinie von 2 km im Umkreis des Lagers fest.

US-amerikanische Truppen trafen dann am 13. April 1945 in dem durch die Häftlinge befreiten Konzentrationslager Buchenwald ein. Ein amerikanischer Leutnant sagte:

Ich begrüße Euch, beglückwünsche Euch zu Eurer Befreiung. Ihr habt mit Eurer Leistung unseren Kampf unterstützt und bildet einen starken Stützpunkt unserer gemeinsamen Sache: ich hoffe, dass Ihr bald nach Hause zurückkehren könnt.“

Dieser US-amerikanische Offizier erkannte die außerordentliche Leistung der antifaschistischen Kämpfer von Buchenwald an, die Leistung der Selbstbefreiung.

Wie sieht es mit der heutigen Anerkennung dieser Leistung aus, mit der Anerkennung im wiedervereinigten Deutschland?

Bei der offiziellen Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung Buchenwalds im Jahre 2024 hörte man kein Wort von dieser historisch einmaligen Tat der Selbstbefreiung. Kein Wort über die oben beschriebenen Ereignisse zwischen dem 6. und dem 13. April 1945, weder vom Leiter der Gedenkstätte noch von Naftali Fürst, dem Präsidenten des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, einem Überlebenden aus Israel. Stattdessen ein politischer Rundumschlag gegen die „Bösen“ in der heutigen Welt, gegen die Russen und Belorussen und gegen die Antisemiten der palästinensischen Hamas.

Beim Bericht des MDR über den 79. Jahrestag fiel das Wort Selbstbefreiung ebenfalls nicht. Auch in der Südthüringer Zeitung „Freies Worts“ kein Wort über die bis ins Kleinste dokumentierte heldenhafte Tat der Selbstbefreiung und die dadurch ermöglichte Rettung von 21.000 Buchenwaldhäftlingen.

In bin der festen Überzeugung, dass viele der nach Buchenwald Gekommenen erwartet hatten, dass des im gleichen Jahr, am 6. Februar 2024. verstorbenen Stefan Jerzy Zweig gedacht würde. Aber nichts – wie schäbig ist das.

Wohl jeder, der die DDR-Schule absolviert hat, kennt die Geschichte von Stefan Jerzy Zweig, die Geschichte des Buchenwaldkindes. Bruno Apitz‘ Roman „Nackt unter Wölfen“, der diese Geschichte erzählt, war Pflichtliteratur. Ja – in diesem Land war es Pflicht, sich auch mit der Geschichte der Selbstbefreiung der Buchenwaldhäftlinge zu beschäftigen – und das war gut so!

Zum Schluss die Worte des aufrechten Antifaschisten Bert Brecht:

Wer die Wahrheit nicht weiß,
der ist bloß ein Dummkopf.
Aber wer sie weiß
und sie eine Lüge nennt,
der ist ein Verbrecher.

Brigitte Dornheim ist Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei
und des Deutschen Freidenker-Verbandes

 

Quelle: https://www.freidenker.org/?p=21446#dornheim

 

Drucken
   
KPD - Aktuell KPD - Die Rote Fahne KPD - Landesorganisationen (Regional) KPD - Topmeldungen
   
© Kommunistische Partei Deutschlands