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Weiterbildung 2019

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Kategorie: Weiterbildung
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Februar 2019 12:39
Geschrieben von Weiterbildung
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3. Quartal: Marktwirtschaftliche Reformen im Sozialismus und Konterrevolution:

3.1. Erfahrungen mit marktwirtschaftlichen Reformen des Sozialismus in der Sowjetunion: von Chruschtschow über Kossygin bis Gorbatschow. Das Referat von Gregor Hollender bei unserer Veranstaltung zum 11. Jahrestag der Oktoberrevolution in Heidenau: Abbau der Planwirtschaft und Konterrevolution.

Liebe Genossinnen und Genossen,

um zu verstehen, wie Chruschtschow und seine Nachfolger sich am Sozialismus vergangen haben, gehe ich kurz darauf ein, was die sozialistische Wirtschaft in den ersten Jahrzehnten so dynamisch machte. Dazu empfehle ich jedem Stalins letztes Werk zu lesen, „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR. Ich möchte eine kleine Umfrage machen: Wer hat es gelesen? Bitte um das Handzeichen. (Murmeln, Kichern) Gegenprobe: wer hat es nicht gelesen? (Lachen, Bemerkungen) Mutig, mutig. Bitte noch nachholen, es lohnt sich.

Aus Zeitgründen nehme ich mir für dieses Referat die Freiheit, die Gedanken Stalins entsprechend zu kürzen und teilweise in eigenen Worten zusammenzufassen.

Stalin schrieb, dass der „Wirkungsbereich des Wertgesetzes bei uns streng begrenzt ist und das Wertgesetz in unserer Ordnung nicht die Rolle des Regulators der Produktion spielen kann.“ Er ergänzt, dass „der Wert, wie auch das Wertgesetz, eine historische Kategorie [ist], die mit der Existenz der Warenproduktion verbunden ist. Mit dem Verschwinden der Warenproduktion verschwindet auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz.“

Stalin widersprach der Behauptung, dass das Wertgesetz die Proportionen der Verteilung der Arbeit zwischen verschiedenen Produktionszweigen reguliere. Dann müsse man der sehr viel rentableren Leichtindustrie den Vorrang geben und dort sehr viel mehr Arbeiter hinschicken. Was aber würde es bedeuten, sich von dem Primat der Produktion von Produktionsmitteln loszusagen? Es sei unmöglich, das ununterbrochene Wachstum der Volkswirtschaft zu gewährleisten, ohne zugleich das Primat der Produktion von Produktionsmitteln zu gewährleisten. Die Rentabilität dürfe man nicht vom Standpunkt einzelner Betriebe oder Produktionszweige betrachten und nicht den Maßstab eines Jahres anlegen. Man müsse die gesamte Volkswirtschaft betrachten und den Maßstab 12 bis 15 Jahre anlegen. Dann rentieren sich auch Ausgaben, die zunächst einzeln für sich betrachtet Verluste einfahren. Das führe zu ununterbrochenem Wachstum und bewahre vor Wirtschaftskrisen.

Ich fasse Stalins Ausführungen zusammen: Sozialistisches Wirtschaften bedeutet langfristig planen und gesamtgesellschaftliche Rentabilität. Das Wertgesetzt ist nicht Regulator der Produktion. Daraus folgend keine Anarchie der Produktion, keine Krisen, hohes Wachstum durch den Vorrang für Produktionsmittel. Die DDR brachte es auf den Punkt mit der kurzen Formel „Aus Stahl wird Brot“.

Chruschtschows erster Streich gegen dieses solide Fundament fand 1953 statt, als er den 1952 beschlossenen Plan veränderte. Drei bedeutende Beispiele: Fleischproduktion statt 80 Prozent, 230 % Steigerung. Butter: statt 70 Prozent, Steigerung um 180 Prozent. Die Produktion von Radios und Fernsehern sollte nicht nur verdoppelt werden, sondern um das 4,4-fache steigen.

Man kann jetzt spekulieren, ob er diese utopischen Zahlen aufgestellt hat, um den Plan ganz bewusst scheitern zu lassen. Damit würde ich mich aber in die Kaffeesatzleserei begeben. Man muss hinschauen, welche Güter er so utopisch steigern wollte: Konsumgüter!

Damit hat Chruschtschow den ersten Schritt getan in die Richtung, die westlich-kapitalistische Lebensweise zu kopieren. Damit bewegt er sich schon weg von dem Grundgedanken, dass der Arbeiter im Sozialismus ein Meister der Produktion ist, der die Gesellschaft um sich herum versteht und gestalten kann und hin zu dem hirnlosen Konsumenten des Westens.

Natürlich war dieser Plan nicht zu schaffen. Damit war die Autorität des Plans beschädigt und eine sehr schädliche Denkweise etabliert. Der XX. Parteitag von 1956 ist uns wegen Chruschtschows berüchtigter „Geheimrede“ gegen Stalin ins Gedächtnis eingebrannt worden. Ein neuer Fünf-Jahres-Plan wurde aufgestellt, der sich natürlich wieder als Pleite erwiesen hat. 1959 probierte er es dann mit einem Sieben-Jahres-Plan. Wie der ausging, können wir uns bereits denken.

1957 schwächte er dann die zentrale Planung der Sowjetunion. 25 zentrale Planungsbehörden wurden aufgelöst und stattdessen ein Netzwerk von 105 Regionalbehörden gegründet. Das schwächte die Planung natürlich massiv, denn wie kann beispielsweise eine Regionsbehörde in Transkaukasien einschätzen, was gesamtgesellschaftlich produziert werden soll. Das führte zu einem Investitionschaos und unkoordiniertem Wirtschaften. GOSPLAN wurde entmachtet und durfte nur noch Empfehlungen ausgeben. In Transkaukasien, um nur ein Beispiel zu nennen, wurde die Errichtung eines Stahlwerks angeregt, die Regionalbehörde errichtete stattdessen jedoch einen Zirkus und mehrere Schwimmbäder.

1958 regte Chruschtschow an, dass die MTS an die Kollektivwirtschaften verkauft werden, was auch angenommen wurde. Auch hiervor hatte Stalin in seinem letzten Werk gewarnt:

Wir alle freuen uns über das kolossale Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion unseres Landes. Wo ist die Quelle dieses Wachstums? Die Quelle dieses Wachstums ist die moderne Technik. Sie muss sich ständig vervollkommnen. Die veraltete Technik muss ausrangiert und durch eine moderne und die moderne wiederum durch die modernste ersetzt werden. Anders ist das Vorwärtsschreiten unserer sozialistischen Landwirtschaft undenkbar, sind weder die hohen Erträge noch der Überfluss an landwirtschaftlichen Produkten denkbar. Das bedeutet Milliardenausgaben, die sich erst in sechs bis acht Jahren bezahlt machen können. Können etwa unsere Kollektivwirtschaften diese Summen aufbringen, selbst wenn sie Millionäre sind?“ Stalin weist daraufhin, dass nur der Staat diese Anfangsverluste tragen kann. Die Auflösung der MTS würde die Kollektivierung schwächen und würde einen Rückschritt bedeuten, weil jetzt Produktionsmittel Privateigentum werden und in die Warenzirkulation gegeben werden. So nähert man sich nicht dem allgemeinen Volkseigentum. Stalin verweist auf Engels Kritik im Anti-Dühring. Dessen Wirtschaftskommunen seien zum Scheitern verurteilt, weil die Warenzirkulation zur Widergeburt des Kapitalismus führen würde.

Chruschtschows Motto ist jedoch: Nicht kleckern sondern klotzen, jedoch in die falsche Richtung. Auf seinem Lieblingsgebiet, der Landwirtschaft, begeht er weitere Abenteuer. Er beginnt mit dem Neuland-Programm in Sibirien und Kasachstan. Ähnlich wie bei seinem ersten Plan setzt er auch hier wieder auf gigantomanisches Wachstum. Die dazu notwendigen Maschinen wurden aus den etablierten und funktionstüchtigen Kolchosen abgezogen. Das Projekt scheiterte, die Sowjetunion konnte den Nahrungsbedarf nicht mehr decken und musste Getreide aus kapitalistischen Ländern importieren.

Damit nicht genug, Chruschtschow will sein Vorbild, die Vereinigten Staaten von Amerika, auch beim Maisanbau kopieren. Das kalte russische Klima ist dafür nicht geeignet, aber diese Tatsache ignorierte er. Um die Sache noch schlimmer zu machen, ordnete Chruschtschow an, dass man das ruhende Brachland doch auch für den Anbau von Mais verwenden könnte. Dadurch kam es schnell zur Dürre und einbrechenden Ernteerträgen. Aber auch dafür hat sich Chruschtschow wieder etwas überlegt. Ein gewaltiges Düngerprogramm. Die Chemieindustrie sollte bis 1970 die Produktion auf 100 Millionen Tonnen heben, fünf Mal so viel in sieben Jahren! Um dieses irre Programm zu finanzieren, trieb er die Sowjetunion in die Auslandsverschuldung bei imperialistischen Ländern.

Wenn Chruschtschow so weiter gemacht hätte, wäre ein Gorbatschow gar nicht mehr nötig gewesen. Glücklicherweise wurde er 1964 abgesetzt.

Man kann jetzt im Nachhinein darüber spekulieren, warum Chruschtschow so impulsiv gehandelt hat. Es existieren Theorien, dass er irgendwann mal in britischer Gefangenschaft umgedreht wurde. Ich würde ihn aber als Vertreter der kleinbürgerlichen Bucharin-Linie einordnen (vgl. „Socialism Betrayed: Behind the Collapse of the Soviet Union” von Roger Keeran und Thomas Kenny). Chruschtschow vertrat wie Bucharin die Interessen der Kleineigentümer und war am Fortschritt der Kollektivierung und Industrie nicht interessiert.

Auf Chruschtschow folgte die sogenannte kollektive Führung, aus der Breschnew und Kossygin besonders herausstechen. Man muss ihnen zu Gute halten, dass sie Chruschtschows wahnsinnige Abenteuer beendeten. Die Partei führte wieder 20 zentrale Planungsministerien ein. Allerdings gingen die Wirtschaftsreformen weiter und das Streben nach Betriebsautonomie. Jetzt erst recht konnte die Planwirtschaft als „bürokratisch, restriktiv, veraltet und als Stalins Verzerrung des Sozialismus“ denunziert werden. Wenn man sich an Friedrich Engels Anti-Dühring erinnert, dann sollte eigentlich klar sein, dass die Ware-Geld-Beziehung mit der neuen Gesellschaft Schritt für Schritt verschwindet. Die neuen Reformen gingen aber davon aus, dass man durch das Ausnutzen des Wertgesetzes schneller zum entwickelten Kommunismus gelangen würde. Rückwärts nach Vorwärts?

Die Preise sollten die realen Werte besser widerspiegeln, die Betriebe sollten Profit machen, was man euphemistisch Rentabilitätsindex nannte. Statt über den Plan regulierte der Staat die Betriebe nun über Kredite. Als weiteren Schritt durften dann die Betriebe sogar einen Teil des Gewinns für sich behalten. Das hat die kleinliche Denkweise noch mehr befördert. Wozu sollte man in neue Maschinen investieren? Dann machen wir doch Verluste und haben nichts zum behalten! Stalins Worte über die Kolchosen passen auch hierhin: Selbst wenn die Betriebe Milliardäre wären, könnten sie die gewaltigen Investitionskosten nicht tragen.

Alles ist mit allem verbunden. Da die Wirtschaft mehr schlecht als recht aufeinander abgestimmt ist, kommt es natürlich zu Mangelerscheinungen. Durch die Bejubelung des westlichen Lebensstils werden entsprechende Bedürfnisse geweckt. Hierdurch entsteht ein Schwarzmarkt bzw. eine illegale Nebenwirtschaft. Dieser wächst seit den 50er Jahren stetig an.

Als die Planwirtschaft noch effektiv in Kraft war, konnte man durch Rückmeldungen prüfen, in welchem Betrieb es zu wenig Material gab.

Jetzt war es so, dass man solche Mängel zum Teil auf dem Schwarzmarkt organisierte. Und der Schwarzmarkt selbst funktionierte durch Diebstahl aus den Betrieben. Breschnew und Teile der Partei haben das stillschweigend hingenommen und sogar zum Teil selbst damit einen konsumorientierten Lebensstil kultiviert. Sie verschlossen die Augen davor, dass durch diese Schattenwirtschaft eine neue Klasse von Kleineigentümern im Begriff war zu entstehen.

Die wirtschaftliche Konfusion, die durch den Fokus auf Konsumgüter entstanden ist, rächt sich. Die USA liegen technologisch vorne. Die UdSSR ist bei der Mikroelektronik auf Technik aus den USA angewiesen. Das nutzt Präsident Reagen natürlich aus und startet ein Sabotageprogramm. Über Mittelsmänner erhält die Sowjetunion sabotierte Mikroelektronikchips und falsche Baupläne für Gasturbinenkomponenten.

In den 50er Jahren verfügte die UdSSR noch über die technologische Führung. Sie errichtete die ersten Atomkraftwerke, schickte den ersten Sputnik in den Kosmos und konnte im Koreakrieg mit der MiG 15 den Amerikanern das Fürchten lehren. Eine vernünftig geführte zentrale Planwirtschaft hätte die Milliardeninvestitionen für die moderne Computertechnik aufbringen können.

Die bis jetzt geschilderte Entwicklung war äußerst ungünstig, aber sie hat zumindest noch nicht das sozialistische Eigentum angetastet. Das blieb Gorbatschow vorbehalten, der 1985 Generalsekretär wurde. Mit ihm schlägt die Quantität des Revisionismus in Qualität um.

Spätestens ab 1987 ging Gorbatschow zum Generalangriff auf den Sozialismus über.

Er übergab die Medien der Sowjetunion an die Feinde des Sozialismus, um eine angeblich dringend notwendige Opposition zu schaffen. Kritische Medien, die Fehlentwicklungen und Korruption anprangern, wären sicherlich nicht verkehrt gewesen, aber Gorbatschow hat sie Kräften übergeben, die den Sozialismus liquidieren wollten. Sie wirken nun als propagandistischer Verstärker für Marktreformen.

Die Schwarzmarkt Schieber wurden unter Breschnew immerhin noch als „Abschaum“ charakterisiert. Gorbatschow adelte sie zu legitimen Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft. Diese Ganoven bekamen auch das Recht, Betriebe privat zu führen. Verschämt bezeichnete man diese als „Genossenschaften“, aber jeder wusste, dass damit Privateigentum gemeint war. Die Selbstentmachtung der Partei und des sozialistischen Staates nahm immer drastischere Formen an.

Moskau war immer noch Drehscheibe der Planungsministerien, die direkt mit dem Zentralkomitee verbunden war. Mit der Perestroika wurden die Ministerien nicht abgeschafft, sondern bekamen die Aufgabe, sich der Entwicklung der Betriebsautonomie zu widmen. Man könnte dies auch als geplanten Selbstmord bezeichnen.

Gorbatschow schlug vor, dass die Betriebe selbstverantwortlich werden für Löhne, abhängig von den Verkäufen. Die Partei soll sich aus allen wirtschaftlichen Belangen zurückziehen.

Noch garantierte der Staat den Industriebetrieben die Abnahme der Industrieprodukte. Gorbatschow wollte das auf einen Schlag auf nur noch die Hälfte reduzieren, damit der Rest zum Privatverkauf steht. Das war defakto die Abschaffung der Planwirtschaft.

Hier ein plastisches Zitat über das Klima der damaligen Zeit. Nikolaj Schmeljow, Berater Gorbatschows, schreibt über die Vorteile der Arbeitslosigkeit: „Wir dürfen auch nicht die Augen vor dem ökonomischen Schaden verschließen, der aus unserer parasitären Sicherheit einer Vollbeschäftigungsgarantie resultiert. … Ich glaube, es ist jedermann klar, dass ein Großteil der heutigen Zerrüttung, Trunksucht und Schlamperei einer Überbeschäftigung geschuldet ist. … Wir sollten eine sachliche und entschlossene Diskussion darüber führen, welche Vorteile eine relativ kleine Arbeitskräftereserve hätte. … Die reale Gefahr, den Job zu verlieren und vorläufig von Arbeitslosengeld zu leben, oder aber dort arbeiten zu müssen, wohin man geschickt wird, ist eine ziemlich gute Medizin gegen Faulheit, Trunksucht und Verantwortungslosigkeit.“ Das erinnert schon sehr an die Agenda 2010 in der BRD!

Die landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaften sollten am Staat vorbei wirtschaften. Gorbatschow sprach da schon offen von der „Änderung der Produktionsverhältnisse“ durch Pachtverträge. Scheinheilig behauptete er, dadurch würde der Bauer wieder ein persönliches Verhältnis zu seiner Scholle erhalten, das ihm durch die Kollektivierung genommen worden sei.

Ende 1988 besuchte Helmut Kohl die Sowjetunion und stellte fest, dass ihm „vieles unglaublich vertraut“ vorgekommen sei und Ludwig Erhard über die Entwicklungen seine „reine Freude“ haben würde.

Ende der 80er Jahre wurde die UdSSR außenpolitisch zum Juniorpartner der USA. Die internationale Solidarität wurde eingestellt. Afghanistan wurde im Stich gelassen mit dem uns bekannten Ergebnis. Kuba war auf sich allein gestellt, die Befreiungsbewegungen in Afrika bekamen keine Unterstützung mehr. Die DDR wurde an die BRD verschenkt. Das hatte für die sowjetische Ökonomie zur Folge, dass die aus den Volksdemokratien und der DDR importierten Medikamente nicht mehr zur Verfügung standen. Die Auswirkungen für die Bevölkerung waren katastrophal. Die Inflation galoppierte.

Anfang 1991 bettelte Gorbatschow in „Der Stern“ bei der deutschen Bevölkerung um Lebensmittel, im Juli 1991 um die Aufnahme der UdSSR in den IWF.

Zum Abschluss kann man sich natürlich fragen: Wie konnten Chruschtschow und Gorbatschow mit solchen Maßnahmen überhaupt Mehrheiten erreichen?

Revisionisten sind nicht blöd, sie werben niemals mit der Einführung des Kapitalismus, sondern tarnen ihre Schritte als „Verbesserung des Sozialismus“. Auch heute hat das noch seine Attraktivität. In einem sog. Streitgespräch mit Gorbatschow in der Bildzeitung meinte Sahra Wagenknecht: „Wenn ich für die Verstaatlichung und Regulierung von Banken und Belegschaftseigentum an Unternehmen eintrete, will ich damit ja nicht zurück zu den Verhältnissen in der DDR oder in der Sowjetunion. Dort waren die Betriebe zentral in der Hand der Partei. Das will ich nicht wiederhaben. Ich möchte, dass die Beschäftigten entscheiden, was mit ihrem Betrieb passiert und nicht Firmenerben oder Hedgefonds.“

(Quelle: http://www.bild.de/politik/inland/sahra-wagenknecht/begegnung-mit-gorbatschow-21204748.bild.html)

Individuelles Eigentum an Betrieben in der Hand von Arbeitern? Das klingt schön, sogar sehr links, fördert aber kleinbürgerliches Besitzdenken. Ich kann mir vorstellen, dass viele die Diskussionen um das Thema Revisionismus ermüdend finden, aber sie ist leider notwendig.

Wir müssen klarstellen, dass die zentrale Planwirtschaft überlegen ist.

Leider haben die Wirtschaftsreformen in der Sowjetunion das falsche Bewusstsein verbreitet. Es ist der falsche Eindruck entstanden, dass nach mehreren Jahrzehnten des sozialistischen Experimentes man letztlich doch erfolgreicher mit dem Kapitalismus wirtschaften kann.

Wofür sollte die Arbeiterklasse dann noch kämpfen, wenn der Markt es eh besser kann?

Dem müssen wir entgegen wirken. Erst dann werden die Arbeiter wieder bereit sein, für den Sozialismus „den Himmel zu stürmen“.“

Trotz dieses Niedergangs, trotz dieser hier vom Genossen Gregor Hollender brillant zusammengefassten Ergebnisse der Forschungen solcher Genossen wie Harpal Brar, Grover Furr, Kurt Gossweiler und Gerhard Schnehen, die alle zugänglich sind, verweigern die Apologeten der „sozialistischen Marktwirtschaft“ deren Kenntnisnahme.

Stattdessen kommen sie uns permanent mit Lenin, der ja gesagt hat, dass die Produktivkräfte das Allerwichtigste, das Ausschlaggebende seien für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung. Und zusammen mit der Tatsache, dass der reale Sozialismus in der Entwicklung der Produktivkräfte hinter dem Kapitalismus zurückgeblieben ist bzw. ihn nicht eingeholt und überholt hat und ohne zu fragen, warum das so war, ohne sich die Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion und der RGW-Länder anzusehen, versuchen sie hier ihre These, man müsse deshalb im Sozialismus auf kapitalistische Elemente wie dem Markt, das Wertgesetz und privates Produktiveigentum zurückgreifen., mit dem genannten Lenin-Zitat zu stützen. Damit versuchen sie, sich als Leninisten darzustellen und gleichzeitig diejenigen, die auf der Planwirtschaft als Grundlage der neuen Gesellschaftsordnung bestehen, als irgendwelche linken Spinner abzutun.

Was es mit dem berühmten Lenin-Zitat und seiner Anwendung auf sich hat, wollen wir deshalb nun genauer untersuchen. (Ideologische Kommission)

 

3.2. Das Lenin-Zitat zur entscheidenden Rolle der Produktivkraft im Zusammenhang

Der immerwährend benutzte Satz lautet: „Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung“ (W.I.Lenin, Die große Initiative, Lenin Werke Bd. 29, S. 416)

Nun lasst uns diesen Satz im Zusammenhang der Leninschen Ausführungen betrachten:

Die Moskauer ungelernten Arbeiter und die Moskauer Eisenbahner (natürlich ist die Mehrzahl gemeint und nicht das Häuflein Spekulanten, Direktionsbürokraten und ähnliches weißgardistisches Gesindel) sind Werktätige, die unter fürchterlich schweren Bedingungen leben. Dauernde Unterernährung und jetzt, vor der neuen Ernte, angesichts der allgemeinen Verschlechterung der Ernährungslage, geradezu Hunger. Und da veranstalten diese hungernden Arbeiter, umgeben von einer Atmosphäre böswilliger konterrevolutionärer Agitation der Bourgeoisie, der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre, „kommunistische Subbotniks", leisten ohne jede Bezahlung Überstundenarbeit und erreichen eine ungeheure Erhöhung der Arbeitsproduktivität, obwohl sie müde, abgerackert, durch Unterernährung erschöpft sind. Ist das etwa nicht das größte Heldentum? Ist das etwa nicht der Anfang einer Wendung, der weltgeschichtliche Bedeutung zukommt?

Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das allerwichtigste, das ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung. Der Kapitalismus hat eine Arbeitsproduktivität geschaffen, wie sie unter dem Feudalismus unbekannt war. Der Kapitalismus kann endgültig besiegt werden und wird dadurch endgültig besiegt werden, daß der Sozialismus eine neue, weit höhere Arbeitsproduktivität schafft. Das ist ein sehr schwieriges und sehr langwieriges Werk, aber man hat damit begonnen, und das eben ist das allerwichtigste. Wenn im hungernden Moskau im Sommer 1919 hungernde Arbeiter, die vier schwere Jahre imperialistischen Krieges, dann anderthalb Jahre noch schwereren Bürgerkriegs durchgemacht haben, imstande waren, dieses große Werk zu beginnen, wie wird da die weitere Entwicklung aussehen, wenn wir erst im Bürgerkrieg gesiegt und den Frieden erkämpft haben werden? Gegenüber der kapitalistischen Arbeitsproduktivität bedeutet der Kommunismus eine höhere Arbeitsproduktivität freiwillig, bewußt, vereint schaffender Menschen, die sich der fortgeschrittenen Technik bedienen. …

Der Kommunismus beginnt dort, wo einfache Arbeiter in selbstloser Weise, harte Arbeit bewältigend, sich Sorgen machen um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität, um den Schutz eines jeden Puds Getreide, Kohle, Eisen und anderer Produkte, die nicht den Arbeitenden persönlich und nicht den ihnen „Nahestehenden" zugute kommen, sondern „Fernstehenden", d. h. der ganzen Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, den Dutzenden und Hunderten Millionen von Menschen, die zunächst in einem sozialistischen Staat vereinigt sind und später in einem Bund von Sowjetrepubliken vereinigt sein werden. (W.I.Lenin, Die große Initiative, Lenin Werke Bd. 29, S. 416f.)

Man wird sagen müssen, dass, wer Lenins Satz von der ausschlaggebenden Bedeutung der Arbeitsproduktivität benutzt als Begründung für eine wie auch immer gestaltete „sozialistische Marktwirtschaft“, dass derjenige lügt, dass derjenige Lenin missbraucht, dass derjenige eine Revision des Leninismus vornimmt, also zu den Revisionisten zu zählen ist.

Die zweite große propagandistische Show wird von den Apologeten der „sozialistischen Marktwirtschaft“ mit der „Neuen Ökonomischen Politik“ veranstaltet.

Diese war bekanntlich nach dem imperialistischem Krieg und den Interventionskriegen ausgerufen worden, um die Bauern dazu zu bringen, nicht mehr nur Subsistenzwirtschaft zu betreiben, sondern mehr zu produzieren, als sie für sich und ihre Familien brauchten, um die Städte zu ernähren und die darniederliegende, sowieso sehr geringe Industrieproduktion wieder aufnehmen zu können. Die Produktivkraft musste dringend erhöht werden, also mussten Produktionsmittel produziert werde, dazu braucht man Arbeiter, Rohstoffe und Lebensmittel. Es gab noch keine kollektivierte Landwirtschaft und noch einen großen nichtstaatlichen Sektor (Einzelbetriebe und Genossenschaften) in der Industrie von rund 30 %. Deren Stimulierung konnte zunächst nur mittels privatwirtschaftlicher Maßnahmen erfolgen. So entstand die Parole „Bereichert Euch!“ und eine dementsprechende Wirtschaftspolitik.

Was diese Phase bedeutete, welche Gefahren sie barg und was Lenin dazu sagte im folgenden Zitat: (Ideologische Kommission)

3.3. Im Kontrast zu den Apologeten der sozialistischen Marktwirtschaft: Lenin über die Neue Ökonomische Politik in der SU.

Die Lage, die durch unsere Neue ökonomische Politik geschaffen worden ist – Entwicklung kleiner Handelsbetriebe, Verpachtung von Staatsbetrieben usw. – , all dies bedeutet Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse, und das nicht sehen zu wollen, würde bedeuten, völlig den Kopf zu verlieren. Selbstverständlich ist die Stärkung der kapitalistischen Verhältnisse schon an und für sich eine Verschärfung der Gefahr.

Können Sie mir aber irgendeinen Weg in der Revolution, irgendwelche Etappen und Methoden der Revolution aufzeigen, bei denen es keine Gefahr gäbe? Das Verschwinden der Gefahr würde das Ende des Krieges und das Aufhören der Diktatur des Proletariats bedeuten, aber davon träumt natürlich in diesem Augenblick niemand von uns.

Jeder Schritt in dieser Neuen ökonomischen Politik bedeutet eine ganze Reihe von Gefahren. Als wir im Frühjahr sagten, dass wir die Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer ersetzen, dass wir den freien Handel mit den nach Entrichtung der Naturalsteuer verbleibenden Überschüssen dekretieren, gaben wir damit dem Kapitalismus Entwicklungsfreiheit. Das nicht zu wissen, würde bedeuten, völlig das Verständnis für die grundlegenden ökonomischen Verhältnisse zu verlieren und sich der Möglichkeit zur Orientierung und zum richtigen Handeln zu berauben. Gewiss, die Kampfmethoden haben sich geändert, es haben sich auch die Gefahrenmomente geändert.

Als die Frage der Sowjetmacht, der Auseinanderjagung der Konstituante zur Entscheidung stand, drohte die Gefahr von Seiten der Politik. Diese Gefahr erwies sich als ganz geringfügig.

Als aber die Epoche des Bürgerkriegs anbrach, der von den Kapitalisten der ganzen Welt unterstützt wurde, trat die militärische Gefahr in Erscheinung – sie war schon bedrohlicher.

Und als wir unsere ökonomische Politik änderten, wurde die Gefahr noch größer, weil die Ökonomik, die sich aus einer Unmenge wirtschaftlicher, alltäglicher Kleinigkeiten zusammensetzt, an die man sich zu gewöhnen pflegt und die man leicht übersieht, von uns besondere Aufmerksamkeit und Anspannung verlangt und mit besonderer Bestimmtheit die Notwendigkeit in den Vordergrund rückt, die richtigen Methoden zu ihrer Bewältigung zu erlernen.

Wiederherstellung des Kapitalismus, Entwicklung der Bourgeoisie, Entwicklung bürgerlicher Verhältnisse aus dem Handel heraus usw. – das ist eben die Gefahr, die unserem jetzigen ökonomischen Aufbau, unserem jetzigen allmählichen Herangehen an die Lösung einer Aufgabe, die weit schwieriger ist als die vorhergehenden, eigen ist.

Hier darf es nicht den kleinsten Irrtum geben.“

(W.I. Lenin, VII. Moskauer Gouvernements-Parteikonferenz - Über die Neue Ökonomische Politik, Referat in der Sitzung am 29. Oktober 1921. Lenin-Werke Band 33, S. 80f.)

Und zusätzlich aus „Notizen eines Publizisten“, Lenin Werke Bd. 33:

Über das Besteigen hoher Berge, über die Schädlichkeit der Verzagtheit, über den Nutzen des Handels, über das Verhältnis zu den Menschewiki u. dgl. m. 

 EINE ART BEISPIEL 

Stellen wir uns einen Menschen vor, der einen sehr hohen, steilen und noch unerforschten Berg besteigt. Nehmen wir an, es sei ihm gelungen, nach Überwindung unerhörter Schwierigkeiten und Gefahren viel höher zu steigen als seine Vorgänger, den Gipfel habe er aber dennoch nicht erreicht. Er befindet sich nun in einer Lage, in der ein Weiterkommen in der gewählten Richtung und auf dem eingeschlagenen Weg schon nicht mehr nur schwierig und gefährlich, sondern geradezu unmöglich geworden ist. Er muß umkehren, abwärts steigen, andere Wege suchen, die zwar länger sein mögen, dafür aber die Möglichkeit in Aussicht stellen, den Gipfel zu erreichen. Der Abstieg in dieser in der Welt noch nie erlebten Höhe, auf der sich unser hypothetischer Bergsteiger befindet, bietet vielleicht gar noch größere Gefahren und Schwierigkeiten als der Aufstieg: man tut leichter einen Fehltritt; es ist nicht so bequem, sich die Stelle anzusehen, auf die man den Fuß setzt; es fehlt jene besonders gehobene Stimmung, die durch das unmittelbare Hinaufsteigen, direkt dem Ziel zu, entstanden war, usw. Man muß sich anseilen, ganze Stunden darauf verwenden, mit dem Pickel Stufen oder Stellen zur sicheren Befestigung des Seils auszuhauen, man muß sich mit der Langsamkeit einer Schildkröte fortbewegen, und noch dazu rückwärts, abwärts, weg vom Ziel, und immer noch ist nicht zu sehen, ob dieser verzweifelt gefährliche, qualvolle Abstieg ein Ende nimmt, ob sich ein einigermaßen aussichtsreicher Umweg finden läßt, auf dem man wieder — kühner, rascher und direkter — vorwärts, aufwärts, dem Gipfel zu gehen könnte.

Es dürfte wohl ganz natürlich sein anzunehmen, daß sich bei einem Menschen, der in eine solche Lage geraten ist, Minuten der Verzagtheit einstellen — trotz der unerhörten Höhe, die er erreicht hat. Und wahrscheinlich wären diese Minuten zahlreicher, häufiger, schwerer, wenn er gewisse Stimmen von unten hören könnte, von Leuten, die aus gefahrloser Ferne, durchs Fernrohr, diesen höchst gefahrvollen Abstieg beobachten, den man nicht einmal (nach dem Muster der „Smena-Wech" -Leute) einen „Abstieg mit Bremse" nennen kann, denn eine Bremse setzt einen gut durchkonstruierten, schon ausprobierten Wagen, eine im voraus gebaute Straße und schon früher erprobte Mechanismen voraus. Hier aber gibt es weder Wagen noch Straße, überhaupt nichts, schlechthin nichts, was vorher erprobt worden wäre! 

Die Stimmen von unten aber klingen schadenfroh. Die einen zeigen ihre Schadenfreude offen, johlen und schreien.- Gleich wird er abstürzen, geschieht ihm ganz recht, das ist ja Wahnsinn, was er macht! Die andern trachten ihre Schadenfreude zu verbergen, sie machen es vorwiegend wie Juduschka Golowljow,- kummervoll richten sie ihre Blicke zum Himmel: Zu unserem größten Leidwesen bestätigen sich unsere Befürchtungen! Haben wir, die wir unser ganzes Leben auf die Vorbereitung eines vernünftigen Plans zur Besteigung dieses Berges verwandt haben, nicht den Aufschub der Besteigung verlangt, solange unser Plan nicht fix und fertig ausgearbeitet vorliegt? Und wenn wir den Weg so leidenschaftlich bekämpft haben, den dieser Wahnwitzige jetzt selber aufgibt (seht, seht, er ist zurückgegangen, er steigt abwärts, er müht sich stundenlang ab, um die Möglichkeit zu erhalten, eine armselige Elle vorwärtszukommen! Uns aber hat er mit den gemeinsten Worten beschimpft, als wir systematisch Mäßigung und Akkuratesse verlangten!) — wenn wir den Wahnwitzigen so leidenschaftlich verurteilt und alle davor gewarnt haben, ihn nachzuahmen und zu unterstützen, so haben wir das ausschließlich aus Liebe zu dem großen Plan der Besteigung dieses nämlichen Berges getan, um diesen großen Plan als Ganzes nicht zu kompromittieren! 

Zum Glück kann unser hypothetischer Bergsteiger unter den in unserem Beispiel angenommenen Verhältnissen die Stimmen dieser „wahren Freunde" der Idee des Bergsteigens nicht hören, es könnte ihm sonst vielleicht übel werden. Übelkeit aber, sagt man, ist der Frische des Kopfes und der Festigkeit der Beine, nicht zuträglich, zumal in sehr großen Höhen. 

OHNE METAPHERN 

Ein Beispiel ist kein Beweis. Jeder Vergleich hinkt. Das sind unbestrittene und allgemein bekannte Wahrheiten, doch schadet es nicht, an sie zu erinnern, um die Grenzen der Gültigkeit jedes Vergleichs überhaupt anschaulicher darzustellen. 

Das Proletariat Rußlands hat in seiner Revolution eine gigantische Höhe erklommen, nicht nur im Vergleich zu den Jahren 1789 und 1793, sondern auch im Vergleich zum Jahre 1871. Man muß sich möglichst nüchtern, klar und anschaulich Rechenschaft darüber ablegen, was wir eigentlich „zu Ende geführt" und was wir nicht zu Ende geführt haben: Der Kopf wird dann frisch bleiben, es wird weder Übelkeit noch Illusionen noch Verzagtheit geben. 

Wir haben die bürgerlich-demokratische Revolution so „sauber" wie noch nirgends in der Welt „zu Ende geführt". Das ist eine gewaltige Errungenschaft, die keine Macht mehr rückgängig machen kann. 

Wir haben das Ausscheiden aus dem reaktionären imperialistischen Krieg auf revolutionärem Wege zu Ende geführt. Das ist ebenfalls solch eine Errungenschaft, die keine Macht der Welt mehr rückgängig machen kann, und eine um so wertvollere Errungenschaft, als reaktionäre imperialistische Gemetzel in nicht ferner Zukunft unvermeidlich sind, wenn der Kapitalismus bestehen bleibt; aber die Menschen des 20. Jahrhunderts werden sich ein zweites Mal nicht so leicht mit „Basler Manifesten" abspeisen lassen, womit die Renegaten, die Helden der II. und zweieinhalbten Internationale, 1912 und 1914—1918 sich selbst und die Arbeiterschaft zum Narren gehalten haben. 

Wir haben den Sowjettypus des Staates geschaffen und damit eine neue weltgeschichtliche Epoche eingeleitet, die Epoche der politischen Herrschaft des Proletariats, die berufen ist, die Epoche der Herrschaft der Bourgeoisie abzulösen. …

Nicht zu Ende geführt haben wir jedoch die Errichtung auch nur des Fundaments der sozialistischen Wirtschaft. Das können die uns feindlichen Kräfte des sterbenden Kapitalismus noch rückgängig machen. Man muß sich dessen klar bewußt sein und es offen zugeben, denn es gibt nichts Gefährlicheres als Illusionen (und Schwindelanfälle, zumal in großen Höhen). Und an dem Eingeständnis dieser bitteren Wahrheit ist entschieden nichts „Schreckliches", nichts, das berechtigten Anlaß auch nur zur geringsten Verzagtheit gäbe, … Wir haben die „Armee" der revolutionären proletarischen Kräfte bewahrt, wir haben ihre „Manövrierfähigkeit" bewahrt, wir haben den klaren Kopf behalten, der uns nüchtern zu beurteilen gestattet, wo, wann und wie weit man zurückgehen muß (um einen kräftigeren Sprung zu tun); wo, wann und wie das nicht zu Ende geführte Werk erneut in Angriff genommen werden muß.

Als rettungslos verloren müßte man diejenigen Kommunisten bezeichnen, die sich einbilden wollten, daß man ohne Fehler, ohne Rückzüge, ohne ein vielmaliges Neubeginnen des nicht zu Ende Geführten und des falsch Gemachten solch ein weltgeschichtliches „Unternehmen" wie die Vollendung des Fundaments der sozialistischen Wirtschaft (besonders in einem Lande der Kleinbauernschaft) zu Ende führen könnte.

Diejenigen Kommunisten aber, die weder in Illusionen noch in Verzagtheit verfallen, die sich die Kraft und Geschmeidigkeit des Organismus bewahren, um beim Herangehen an diese überaus schwierige Aufgabe wiederholt „von Anfang zu beginnen", sind nicht verloren (und werden es aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie sein).

Und wir dürfen uns um so weniger gestatten, auch nur in die geringste Verzagtheit zu verfallen, es liegen für uns um so weniger Gründe dazu vor, als wir bei all unserer Zerrüttung, Armut, Rückständigkeit und Hungersnot begonnen haben, auf dem Gebiet der den Sozialismus vorbereitenden Wirtschaft in so manchem vorwärtszukommen, während neben uns, in der ganzen Welt, fortgeschrittenere Länder, die tausendmal reicher und militärisch mächtiger sind als wir, fortfahren, auf dem Gebiet „ihrer" von ihnen so gepriesenen, ihnen vertrauten, seit Jahrhunderten erprobten kapitalistischen Wirtschaft zurückzufallen.(Notizen eines Pubizisten, Lenin Werke Band 33, S. 188ff)

3.4.: Inhaltliche Zielstellungen:

Es ist nicht die Planwirtschaft gescheitert, sondern ihre Deformation durch die Implantierung marktwirtschaftlicher Elemente. Dadurch wurden die Vorzüge der Planwirtschaft gelähmt bzw. abgeschafft.